Fever Pitch
wenn man ihn geschnitten hätte (wie Charlie George war er ein Produkt der Jugendmannschaft); doch da war auch noch ein dritter Punkt. Er war intelligent. Diese Intelligenz offenbarte sich in erster Linie in seinen Pässen, die genau, phantasievoll und immer wieder überraschend waren. Aber sie zeigte sich auch außerhalb des Platzes: Er drückte sich geschickt aus, hatte einen trockenen Witz und war engagiert ( »Komm schon, David, hau ihn rein«, rief er aus der Kommentatorenbox, als sein Freund und Arsenalkollege David O’Leary im Begriff stand, den entscheidenden Elfmeter für Irland im Weltmeisterschaftsspiel 1990 gegen Rumänien auszuführen). Ich schritt auf meinem Weg durch die akademischen Schichten voran und traf mehr und mehr Leute, die eine Unterscheidung zwischen Fußball auf der einen und dem geistigen Leben auf der anderen Seite zu machen schienen, und Brady schien für eine Brücke zwischen den beiden Welten zu sorgen.
Selbstverständlich ist Intelligenz bei einem Fußballer keine schlechte Sache, speziell bei einem Mittelfeldspieler, einem Spielmacher, obwohl diese Intelligenz nicht die gleiche Intelli genz ist, die man braucht, um, sagen wir mal, einen »schwierigen« europäischen Roman zu genießen.
Paul Gascoigne hat fußballerische Intelligenz im Überfluß (und das ist eine verblüffende Intelligenz, die, neben anderen Fähigkeiten, eine erstaunliche Koordination und das blitzschnelle Ausnutzen einer Situation erfordert, die sich binnen weniger Sekunden ändert), aber trotzdem ist es offensichtlich und legendär, daß ihm selbst Ansätze von gesundem Menschenverstand fehlen.
Alle großen Fußballer haben eine Art von geistiger Fähigkeit an sich: Linekers Antizipation, Shiltons Stellungsspiel, Beckenbauers Spielverständnis sind eher Produkte ihres Gehirns und beruhen nicht auf simpler Athletik.
Aber es ist trotzdem der klassische Mittelfeldspieler, dessen
intellektuelle Eigenschaften die meiste Aufmerksamkeit erfahren, besonders durch die Sportjournalisten der anspruchsvollen Blätter und die Fußballfans aus der Mittelschicht.
Das ist nicht nur so, weil die Art von Intelligenz, die Brady
und Leute seiner Art besitzen, fußballerisch am augenfälligsten ist, sondern weil sie der Art von Intelligenz entspricht, die in der Kultur der Mittelschicht hochgeschätzt wird. Sieh dir die Adjektive an, die verwendet werden, um Spielmacher zu beschreiben: elegant, aufmerksam, feinsinnig, raffiniert, geschickt, visionär … das sind Worte, die genausogut einen Dichter, einen Filmemacher oder einen Maler beschreiben könnten. Anscheinend ist der wahrhaft begabte Fußballer zu gut für seine Umgebung und muß auf eine andere, höhere Stufe gestellt werden. Zweifellos hing meine Vergötterung Bradys zum Teil mit dieser Einstellung zusammen. Charlie George, das vorherige Idol von Arsenals Nordtribüne, war nie in der Weise mein Spieler gewesen wie Liam es war. Brady war anders (auch wenn er das natürlich nicht wirklich war – sein Werdegang war ziemlich genau der gleiche wie der der meisten Fußballer), weil er lässig und geheimnisvoll war, und obwohl ich selbst diese beiden Eigenschaften nicht besaß, hatte ich das Gefühl, daß meine Erziehung mich befähigte, sie bei anderen zu erkennen. »Ein Dichter des linken Fußes«, pflegte meine Schwester trocken zu bemerken, wenn ich seinen Namen erwähnte, und das tat ich oft, aber es steckte etwas Wahres hinter ihrer Ironie: Eine Zeitlang wollte ich, daß Fußballer so untypisch waren wie möglich, und obwohl das dumm war, tun andere das noch immer. Pat Nevin, besonders in seiner Zeit bei Chelsea, wurde ein viel besserer Spieler, als herauskam, daß er etwas von Kunst, Büchern und Politik verstand.
Die Partie gegen Nottingham Forest, ein einschläferndes 0:0
Unentschieden an einem Montag, einem einschläfernden, grauen Bankfeiertag, war Bradys letztes Spiel in Highbury. Er hatte entschieden, daß seine Zukunft im Ausland lag, in Italien, und er verschwand für einige Jahre. Ich war da, um ihn zu verabschieden, und er machte mit dem Rest der Mannschaft eine langsame, traurige Ehrenrunde. Ich glaube, tief in meinem Inneren hoffte ich noch immer, daß er seine Meinung änderte oder sich der Club letztlich des irreparablen Schadens bewußt würde, den er sich selbst zufügte, indem er Brady ziehen ließ. Manche behaupteten, daß Geld dahintersteckte und er geblieben wäre, wenn Arsenal mehr gezahlt hätte, doch ich zog es vor, ihnen nicht zu
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