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Fever Pitch

Fever Pitch

Titel: Fever Pitch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Hornby
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hat mich gerade erkennen lassen, wie gräßlich unser Leben in diesen neun Monaten ist, und daß ich, wenn sie vorbei sind, jeden Tag der zwölf kurzen, mir zur Verfügung stehenden Wochen so leben will, als wäre ich ein menschliches Wesen.
    Für mich war 79/80 eine Saison, in der der Fußball – bis dahin immer das Rückgrat des Lebens – für das ganze Skelett sorgte. Während der kompletten Saison tat ich nichts anderes als in die Kneipe zu gehen, zu arbeiten (da ich mir keine bessere Beschäftigung vorstellen konnte, jobbte ich in einer Autowerkstatt außerhalb von Cambridge), mit meiner Freundin, deren Studiengang ein Jahr länger dauerte als meiner, rumzuhängen, und auf Samstage und Mittwoche zu warten. Das Merkwürdige war, daß besonders Arsenal auf mein Bedürfnis nach so viel Fußball wie möglich einzugehen schien: Die Mannschaft bestritt in jener Saison siebzig Spiele, achtundzwanzig davon Pokalspiele der verschiedensten Art. Jedesmal wenn irgendwelche Anzeichen zu erkennen waren, daß ich schlaffer wurde als mir guttat, zeigte sich Arsenal gefällig und sorgte für ein weiteres Spiel.
      Im April 1980 hatte ich meinen Job, meine Unentschlossenheit und mich selbst tödlich satt. Aber gerade als es so auszusehen begann, als ob die Löcher in meinem Leben so groß würden, daß selbst der Fußball sie nicht mehr stopfen konnte, wurde Arsenals Besorgtheit, mich abzulenken, hektisch: Zwischen dem 9. April und dem 1. Mai bestritt Arsenal sechs Halbfinalspiele, vier gegen Liverpool im FA Cup und zwei gegen Juventus im Pokal der Pokalsieger. Nur eins davon, das Hinspiel gegen Juventus, fand in London statt, und folglich drehte sich alles um das Radio. Meine einzige Erinnerung an den gesamten Monat ist, daß ich arbeitete und schlief und Peter Jones und Bryon Butler live aus Villa Park, Hillsborough oder Highfield Road lauschte.

    Ich bin kein guter Radiohörer, schließlich sind das nur sehr wenige Fans. Die Zuschauermenge ist viel schneller als der Reporter – das Gebrüll und Gestöhne eilt den Beschreibungen des Geschehens etliche Sekunden voraus, und meine Unfähigkeit, den Platz zu sehen, macht mich viel nervöser, als ich es wäre, wenn ich im Stadion stehen oder das Spiel im Fernsehen verfolgen würde. Im Radio ist jeder Schuß auf dein Tor in Richtung Winkel unterwegs, jede Flanke erzeugt Panik, jeder gegnerische Freistoß ist unmittelbar an der Strafraumgrenze. In jenen Tagen, in denen es noch keine Live-Übertragungen im Fernsehen gab und Radio meine einzige Verbindung zu Arsenals abgelegenen Pokalabenteuern war, saß ich für gewöhnlich da und raste auf der Skala des Radios zwischen zwei Sendern hin und her, verzweifelt darum bemüht mitzubekommen, was vor sich ging, aber ebenso verzweifelt darauf bedacht, es nicht hören zu müssen. Fußball im Radio ist Fußball auf den kleinsten gemeinsamen Nenner reduziert.
    Ohne die ästhetischen Freuden des Spiels oder den Trost einer Menschenmenge, die genauso fühlt wie du, oder ohne das Gefühl von Sicherheit, das du kriegst, wenn du siehst, daß deine Verteidiger und dein Torwart mehr oder weniger da stehen, wo sie hingehören, ist alles, was noch bleibt, nackte Angst. Das düstere, gespenstische Pfeifen, unter dem die Ausstrahlungen von RADIO 2 abends zu leiden pflegten, war vollkommen passend.
    Die letzten beiden der vier Halbfinalspiele gegen Liverpool brachten mich beinah um. In der dritten Partie ging Arsenal in der ersten Minute in Führung und hielt diese die nächsten neunundachtzig; ich saß, stand, rauchte und verbrachte die komplette zweite Halbzeit herumwandernd, unfähig zu lesen, zu sprechen oder zu denken, bis Liverpool in der Nachspielzeit ausglich. Das Tor war wie ein Schuß aus einem Revolver, der seit einer Stunde auf meinen Kopf gerichtet war, wobei der gräßliche Unterschied darin bestand, daß er dem allem, anders als eine Kugel, kein Ende setzte – im Gegenteil, er zwang mich dazu, die gesamte Geschichte noch einmal durchmachen zu müssen. Im vierten Spiel, drei Tage später, ging Arsenal einmal mehr in Führung, was mich derart mit Angst erfüllte, daß ich das Radio ausschalten mußte und die magischen Fähigkeiten der Buzzcocks entdeckte. Dieses Mal schaffte Liverpool nicht den Ausgleich, und Arsenal erreichte sein drittes FA-Cup-Finale in drei Jahren; das Problem war, daß ich fast zu ausgelaugt, nervös und nikotinvergiftet war, um mir daraus etwas zu machen.

Liam Brady

    Arsenal gegen Nottingham Forest – 5.5.80

    Ein

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