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Fey 01: Die Felsenwächter

Fey 01: Die Felsenwächter

Titel: Fey 01: Die Felsenwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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Matthias hatte sein Wort gegeben. Er konnte nicht einfach sein Wort brechen und umkehren.
    Die Blätter der jungen Bäume neben den Torflügeln raschelten im Wind. Matthias ließ sein kleines Schwert los und stieß das Tor auf. Insgeheim dankte er dem Heiligsten, daß wenigstens einer genug Verstand besessen hatte, es zu schließen. Außer einer vereinzelten Leiche hier und dort war die Straße menschenleer. Der Schlamm war von Pferdehufen, Wagenrädern und Hunderten von Füßen aufgewühlt. Er schmatzte unter dem Holz seiner Sandalen, beschmutzte die Sohlen seiner Füße und quoll kalt zwischen seinen Zehen hindurch. Matthias ignorierte das unangenehme Gefühl, schloß die Augen und ließ die Eindrücke des Tages an sich vorüberziehen: die schmelzenden Gesichter der Fey, Blut, das auf die sauberen Fußböden spritzte.
    Von hier aus hatte er eine gute Sicht auf den Fluß. Die Lichter flackerten in unregelmäßigen Abständen, wie eine Tür, die sich abwechselnd öffnet und schließt. Wieder hörte er Stimmen, aber sie unterhielten sich in einer Sprache, die er nicht verstand.
    So leise wie möglich schlich er geduckt am Straßenrand entlang. Jedesmal, wenn seine Füße im Schlamm ein Geräusch verursachten, zuckte er zusammen. Wenn er doch nur mehr über die Fey wüßte! Konnten sie sich unsichtbar machen? Er widerstand dem Drang, wie ein Blinder die Hände auszustrecken, um sich vor einer unsichtbaren Macht zu schützen.
    Die einzigen Stimmen, die weit und breit zu hören waren, kamen vom Fluß. Die Schiffe waren fort. Vielleicht hatten sie auch die Schiffe unsichtbar gemacht. Aber dann hätte er doch hören müssen, wie das Wasser gegen die hölzernen Rümpfe schlug, und das war nicht der Fall. Nur die fremden, verschwörerischen Stimmen und die seltsamen Lichter weckten sein Mißtrauen.
    Als Matthias die Brücke erreicht hatte, machte er eine kurze Pause. Entweder ging er jetzt zurück, holte das Weihwasser und überquerte dann erst die Brücke, um zu sehen, was auf der anderen Flußseite vor sich ging, oder er kletterte die Uferböschung hinunter und schlich sich auf dieser Seite des Flusses so nah heran, wie er es wagte.
    Wenn es lebensgefährlich war, sollte er lieber einen Aud vorschicken. Der Rocaan brauchte Matthias noch. Er wollte gewiß nicht, daß Matthias starb. Wenn er das gewollt hätte, hätte er ihm niemals gezeigt, wie man das Weihwasser zubereitete. Der Vorgang war wohl die erstaunlichste Zeremonie gewesen, der Matthias in der Kirche jemals beigewohnt hatte.
    Er klammerte sich an das hölzerne Geländer, das den Pfad neben der Brücke säumte. Der Fluß selbst war noch etwa anderthalb Meilen entfernt, ganz zu schweigen von der Hafenöffnung auf der anderen Seite. Im hellen Licht des Tages schien sie immer weit entfernt. Bei Nacht wirkte sie gefährlich nah.
    Trotzdem würde er seinen Plan ausführen. Matthias schlug den schlammigen Weg zum Ufer hinunter ein. Mit einer Hand mußte er sich auf dem nassen Boden abstützen, um nicht auszurutschen. Hier wuchsen hohe Binsen, die seine Robe streiften und seine nackten Arme kitzelten. Wenn er sich bewegte, raschelten sie, und er hatte Angst, daß der Wind das Geräusch über das Wasser trüge. Schließlich kauerte er sich unter einen Baum, der seine Krone bis über das Wasser reckte. Ein bei Tag schattiges Plätzchen, das ihm jetzt die Illusion von Schutz bot.
    Die Stimmen auf dem anderen Ufer waren verstummt. Ein einzelnes Licht flammte auf und erlosch über dem breiten Pier, der zu den Lagerhäusern führte. Hier waren die Schiffe vertäut gewesen. Matthias setzte sich hin und wartete ab, bis sich sein Atem beruhigt und die Augen an das Mondlicht und die Dunkelheit gewöhnt hatten.
    Die Zeit verging. Er wußte nicht, wie lange er so gesessen hatte. Jedenfalls lange genug, um am ganzen Körper steif zu werden. Plötzlich glaubte er, kleine, flackernde Lichter zu sehen, die einen perfekten Kreis bildeten. Aufgrund der Entfernung ließ sich die Beobachtung schwer beurteilen, aber es schien ihm so, als könnte der Kreis nicht größer als sein eigener Kopf sein. Er schwebte über dem Pier wie die Lichter eines winzigen Leuchtturms.
    Darum bemüht, kein Geräusch zu machen, veränderte Matthias vorsichtig seine Position. Er zog die Knie an die Brust und schlang die Arme darum. Als das Gras leise raschelte, verschwanden die größeren Lichter. Er hoffte, daß die Fey ihn nicht gehört hatten, daß er nicht schon längst umzingelt war. Im Lauf seiner

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