Fey 01: Die Felsenwächter
Hütten in einem unbesiedelten Teil des Waldes. Die Abgeschiedenheit des Ortes erschwerte die Versorgung, aber sie verhinderte auch Angriffe der Inselbewohner.
Das Schattenland glich einer großen, leeren Kiste, aber sie besaß einen Deckel, einen Boden und Wände. Ihre Begrenzungen fühlten sich fest an, obwohl sie keine sichtbare Form hatten. Irgendwie drang aber Luft hindurch. Wenn unfähige Visionäre oder unerfahrene Führer Schattenlande errichteten, waren sie manchmal nicht zu gebrauchen, und den Bewohnern ging rasch die Atemluft aus. Auf mehr als einem Feldzug hatten viele Soldaten ihr Leben eingebüßt, weil ein schlecht gerüsteter Anführer es nicht geschafft hatte, ein funktionstüchtiges Schattenland einzurichten.
Dieses hier unterschied sich von allen Schattenlanden, die Rugar jemals gesehen hatte. Sonst hatte er sich meist nur ein oder zwei Wochen während eines bestimmten Feldzugs in den Schattenlanden aufgehalten. Manche von ihnen waren nur für Anführer bestimmt gewesen und ähnelten einem Privatzelt. In anderen befanden sich auch Zelte für die Truppe. Aber keines von ihnen war jemals mit so vielen unterschiedlichen Gebäuden wie dieses ausgerüstet gewesen.
Die meiste Arbeit hatte es gemacht, das Holz zu beschaffen. Er hatte die Leute in Fünfergruppen ausgeschickt, um Bäume zu fällen und sie ins Schattenland zu befördern, wo die Domestiken sie in die passende Form brachten. Trotzdem gab es immer noch nicht genug Wohnhäuser. Viele Leute drängten sich auf engem Raum in viel zu kleinen Hütten. Das Schattenland bot genug Platz, aber das Holz war ein Problem.
Was die anderen Vorräte betraf, sah es nicht viel anders aus. Wegen des Wassers hatte Rugar schon Alpträume gehabt, in denen er herausfand, daß die Inselbewohner das gesamte Wasser vergiftet hatten und alle Fey im Schattenland elend verdursten mußten. Die Domestiken hatten behauptet, sie könnten Abwasser reinigen, und hatten ihn überredet, einen Tank anzulegen, aber er brachte es nicht über sich, dieses Wasser zu benutzen, wenn es nicht unbedingt nötig war. Statt dessen schickte er jeden Tag einen Trupp mit Eimern zum Cardidas.
Zur Zeit führte Jewel die Oberaufsicht über den täglichen Wasserverbrauch. Er war ihr so dankbar, daß sie ihm zur Seite stand, und noch dankbarer war er Schattengänger, der sie gerettet hatte. Spät am Abend war sie erschöpft aus der Schlacht um Jahn zurückgekehrt, mit aufgeschürften Handgelenken, in ein blutgetränktes Inselgewand gehüllt. Sie hatte eine schreckliche Geschichte darüber erzählt, wie sie von den Inselbewohnern gefangengenommen worden war. Rugar hatte ihr seitdem verboten, das Schattenland zu verlassen.
Aber jetzt konnte er nicht warten, bis sie kam. Er wartete, halb besorgt, halb erwartungsfroh, auf Neuigkeiten über die Uehe. Die Kundschafter, die er zur Mündung des Cardidas geschickt hatte, waren noch nicht wieder zurück, obwohl sie wußten, daß er sofort benachrichtigt werden wollte. Je länger sie ausblieben, desto größer war die Wahrscheinlichkeit, daß das Schiff die Passage durch den tückischen Tunnel geschafft hatte.
Er hoffte es. Er betete darum. Er setzte all seine Kräfte ein, auch wenn sie die Zukunft nur wenig beeinflussen konnten, um sicherzugehen. Solange kein Schiff an den Felsenwächtern vorbeikam, konnten die Fey diesen Ort nicht verlassen.
Die Schläge der Holzfäller ließen sein Herz heftig pochen. Seit er in diesem Schattenland lebte, hatte er sie die ganze Zeit hören müssen. Neue Häuser, neue Holzkonstruktionen. Er hatte sein Volk auf eine lange Belagerung vorbereitet, und er wollte, daß sie es währenddessen bequem hatten. Er wünschte, er könnte ihnen alle Sorgen ersparen, aber das schien nicht in seiner Macht zu stehen. Selbst Nahrung war zu einem Problem geworden.
Sie konnten hier keinen Ackerbau betreiben. Die Formlosigkeit des Schattenlandes erlaubte es nicht, Pflanzen in der Erde zu ziehen. Viele der Domestiken holten sich von draußen Ackerboden und füllten ihn in große Kästen, um Gärten anzulegen. Bis jetzt hatte das noch nicht funktioniert. Jewel hatte vorgeschlagen, die Felder vor den verlassenen Viehställen zu bebauen, und falls es den Domestiken nicht gelang, ihre Gärten im Schattenland in Schwung zu bringen, war Rugar bereit, darüber nachzudenken. Bis dahin schickte er seine Leute auf Raubzüge aus. Meistens ging es dabei um Fleisch, aber manchmal stahlen sie den überraschten Inselbewohnern auch etwas Gemüse.
Es
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