Fey 01: Die Felsenwächter
Mylord«, sagte er. »Sonst schlaft Ihr meist noch ein Stündchen länger.«
»Wie kann man schlafen, wenn die Sonne endlich wieder scheint?« erwiderte Nicholas. Er fuhr ausgelassen mit der Hand über den kurzen braunen Schopf des Dieners. »Ich dachte, du wärst draußen, um die ersten Sonnenstrahlen zu genießen, die wir seit Tagen sehen.«
Der Diener, offensichtlich erleichtert, daß ihm keine Strafe drohte, weil er nichts von den Wünschen seines Herrn gewußt hatte, zuckte die Achseln.
»Ich war mir sicher, daß ich Euch begleiten würde, sobald Ihr aufgestanden seid«, sagte er.
Nicholas lachte. Sein Diener kannte ihn gut. Eigentlich sollte er seinem Herrn nur in dessen Gemächern dienen, aber Nicholas hätte es sich nicht träumen lassen, jemanden an einem so schönen Tag ins Innere des Palastes zu verbannen.
»Wie auch immer«, sagte er, »macht mir ein wenig Platz.« Er schnappte sich einen Stuhl und schob ihn an den Tisch. »Tut einfach so, als wäre ich einer von euch. Ich frühstücke nur schnell was, den Rest des Tages will ich draußen im Sonnenschein verbringen. Und als wäre ich der König, werde ich anordnen, daß ihr es heute genauso haltet.«
Die Diener bedankten sich lautstark und hoben ihre Wasserbecher, um auf Nicholas zu trinken. Er wünschte sich, sie würden ihm einmal auf den Rücken klopfen, wie sie es untereinander taten, aber eine derart vertrauliche Geste war für die Diener so gut wie unvorstellbar. Er mußte mit dem zufrieden sein, was er hatte.
Jetzt tauchte der Bäcker hinter ihm auf und legte einige Scheiben frischgebackenes Brot vor ihn. Der Käsemacher stellte ein wenig von dem teuren Käse dazu, und der Küchenmeister hatte einige Äpfel vom letzten Jahr für ihn in mundgerechte Stücke geschnitten. Es war viel mehr, als Nicholas eigentlich wollte, aber erwartete, bis der Bäcker verschwunden war, bevor er die zusätzlichen Stücke herumreichte.
Dann aß er schnell. Das Brot war in der dampfenden Mitte noch heiß und weich. Der Käse war so gereift, daß er unter seinen Fingern zu kleinen Stücken zerkrümelte. Sein scharfer Geschmack kontrastierte herrlich mit den süßen Äpfeln, die trotz des Überwinterns im Keller hart und fest waren.
Die anderen verspeisten gierig ihre Portionen. Normalerweise bekamen sie kein frisches Brot, sondern nur das, was übriggeblieben war. Er fragte sich, wie es wohl sein mochte, wenn man sein Frühstück in dem Raum einnahm, wo das frisch gebackene Brot aufbewahrt wurde, ohne davon kosten zu dürfen. Er liebte die kleinen Annehmlichkeiten seines Lebens.
Während er aß, unterhielten sich die anderen. Meist handelte es sich um den üblichen Klatsch: welcher Bauernsohn welche Dorfschönheit hofiert und dergleichen. Nicholas hörte aufmerksam zu, obwohl er nicht einmal die Hälfte der Namen kannte, und fühlte sich ausgeschlossen von einer Gesellschaftsschicht, die er kaum verstand. Niemand sprach ihn direkt an, und wenn er eine Frage stellte, so dauerte das Schweigen einen Augenblick zu lange, als müßten sie erst entscheiden, wer die Frage beantworten sollte. Schließlich war es immer sein eigener Diener, wahrscheinlich deshalb, weil es zu seinen Aufgaben zählte, mit Nicholas zu reden. Nach einer Weile hörte Nicholas auf zu fragen.
Nachdem er sein Frühstück beendet hatte, erhob er sich und dankte allen für ihre Gastfreundschaft. Sie stimmten in sein Lachen ein und bedankten sich ihrerseits, daß er ihnen dabei Gesellschaft geleistet hatte, aber er konnte sehen, wie erleichtert sie waren, daß er sie wieder allein ließ. Für den Rest des Tages würde er das Gesprächsthema in den Räumen der Dienstboten sein, treppauf, treppab würde man Mutmaßungen über den Zweck seines Besuchs und seinen Charakter anstellen.
Er ging durch die Küche hinaus und winkte im Vorbeigehen dem Küchenmeister und dem Käsemacher zu. Er wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn und mußte über sich selbst schmunzeln. Dann trat er durch die geöffnete hintere Küchentür in den Hof und trat die Knochen beiseite, die der gutmütige Koch für die Hunde hingelegt hatte.
Die Luft draußen war immer noch kühl und ein wenig feucht. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sich die morgendliche Hitze ausbreitete, und die Sonne fühlte sich bereits angenehm auf seinen nackten Armen an. Der sanfte Morgenwind trug ihm eigenartige Rufe und Schreie zu, die er vorher nicht gehört hatte. Aber er war auch noch nie so früh im Hof gewesen.
Vor den
Weitere Kostenlose Bücher