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Fey 01: Die Felsenwächter

Fey 01: Die Felsenwächter

Titel: Fey 01: Die Felsenwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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zwischen ihnen flatterte. Schattengänger biß in den Dunst und saugte ihn ein. Er fühlte die Schreie des Mannes mehr, als daß er sie hörte. Dann fühlte er, wie sich sein Körper verformte, drehte und dehnte, bis er schließlich eine weite Taille, kleine Augen und einen spitzen Mund hatte.
    Der Körper zwischen seinen Beinen und Armen verschwand, und beinahe hätte er das Gleichgewicht verloren, bis er sich daran erinnerte, die eigenen Füße auf den Boden zu setzen. Klappernd fielen die Knochen seines Opfers zu Boden. Er zog einen Stuhl zu sich heran und sank darauf nieder.
    In seinem Schädel vermischten sich Bilder, Erinnerungen, die nicht seine eigenen waren. Sein Magen drehte sich von der fettigen alten Ente, die der Koch ihnen vorgesetzt hatte, und er hatte Kopfschmerzen wie von einem Kater, obwohl er seit Wochen nichts getrunken hatte. Die Kultur war noch nicht deutlich erkennbar, ebensowenig die Sprache, aber es würde nur noch einen Augenblick dauern. Er mußte nur warten.
    Er wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Kleider. Er saß hier vollständig nackt. Quartiermeister Grundy war in seinem ganzen Leben nicht nackt gewesen. Glücklicherweise befand sich seine Unterkunft gleich hier im Gebäude. Mit etwas Glück konnte er sie erreichen und die Uniform anziehen, die der Quartiermeister letzte Nacht abgelegt hatte.
    Dann vermischten sich beide Persönlichkeiten, und er ballte die Fäuste. Quartiermeister. Nicht Hauptmann der Wache. Womöglich mußte er diesen schmerzhaften Prozeß noch einmal durchmachen. Das war eben das Resultat unzureichender kultureller Kenntnis, schlechter Vorbereitung und übermäßiger Arroganz.
    Schattengänger unterdrückte seinen Ärger. Er war hier. Er hatte einen Inselbewohner übernommen. Er mußte eine Kultur kennenlernen und Leute manipulieren. Noch war er dem König nicht nahe, aber das war bestimmt bald soweit.
    Davon war er überzeugt.

 
10
     
     
    Ihre Hände waren gekrümmt und schmerzten vor Kälte. Eleanora stöhnte, als sie die altbackene Brotkruste in zwei Hälften brach. Die kleinere davon legte sie für die Mittagsmahlzeit beiseite, scharrte die Krumen in die Handfläche und biß von der größeren Hälfte ab. Das Brot knirschte zwischen den wenigen Zähnen, die ihr noch geblieben waren. Sie schlurfte zur Tür, öffnete sie und streute die Krumen auf den Fußweg.
    So hungrig konnte sie gar nicht sein, daß für die Vögel nichts mehr abfiel.
    Zum ersten Mal seit Tagen schien die Sonne. Wie Diamanten glitzerte das Licht in den Blättern der Bäume. Das Land ringsum glich zwar noch einem schmutzigen Sumpf, aber sie vertraute darauf, daß alles bald trocknen würde. Vielleicht konnte sie dann zu Coulters Hütte gehen und ihn bitten, ihr ein wenig Holz zu hacken. Vielleicht konnte sie ihn irgendwann einmal für seine Hilfe bezahlen.
    Sie ging wieder hinein und schloß die Tür. Im Zimmer war es dunkel und spürbar kälter als draußen. Vor zwei Abenden hatte sie zum letzten Mal Feuer gemacht, als sie die Reste ihres Eintopfs gegessen hatte und dann in der Wärme der Asche eingeschlafen war. Das wenige Feuerholz, das sie noch besaß, sparte sie auf, obwohl sie nicht wußte, wofür. Manchmal dachte sie, sie sparte es auf, um in ihrer Sterbenacht warm zu liegen.
    Sie machte sich keine Illusionen darüber, daß sie noch lange leben würde. Ihr Körper war zu alt, um Hunger und Kälte noch lange zu trotzen. Ihre Kleidung hing um sie herum wie eine lose Decke, und sie konnte jeden einzelnen Knochen an ihrem Arm erkennen. Glücklicherweise hatte sie keinen Spiegel und mußte so die Verwüstungen nicht sehen, die das Leid in ihrem Gesicht angerichtet hatte.
    Drew hatte ihr Gesicht immer für schön gehalten.
    Aber Drew war seit sechs Monaten tot, und sie würde ihm bald folgen. Zuvor hatte sie niemals begriffen, wieviel einfacher das Leben war, wenn man sein Unglück teilen konnte. Während sie Wurzeln zum Essen ausgegraben hatte, hatte er immer schon Reisig für das Feuer gesammelt.
    Sie vermißte ihn mehr, als sie es jemals für möglich gehalten hätte. Sie hatten vom ersten Tag an viel gestritten, aber sie hatten sich leidenschaftlich geliebt. Und er hatte ihr niemals vorgehalten, daß sie kinderlos blieben, ebensowenig wie sie ihm vorhielt, daß er unfähig zur Landarbeit oder Schafzucht war. Er hatte geschickte Hände, und die Nachbarn hatten ihn auf ihre Weise dafür belohnt: ein Dutzend Eier für ein repariertes Rad; einen Monat lang Brot als Lohn für

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