Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fey 01: Die Felsenwächter

Fey 01: Die Felsenwächter

Titel: Fey 01: Die Felsenwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
Vom Netzwerk:
einen soliden Kamin. Seit seinem Tod hatte Eleanora von den Resten dieser Mildtätigkeit gelebt, aber seit der Regen eingesetzt hatte, war es damit vorbei.
    Sie aß ein Stück von dem trockenen Brot und spülte es mit einem Glas Regenwasser hinunter, das sie in der Nacht gesammelt hatte. Das Wasser schmeckte kühl, frisch und süß. Sogar der Regen hatte seine guten Seiten.
    Vielleicht sollte sie gar nicht warten, bis der Schlamm getrocknet war. Vielleicht schaffte sie es auch so bis zu Coulter. Es war gleichgültig, ob ihre Röcke schmutzig wurden. Die waren sowieso alt, und sie mußte auf niemanden einen guten Eindruck machen.
    Sie schluckte das restliche Brot, öffnete erneut die Tür und rechnete damit, die Vögel aufzuschrecken. Zu ihrer Überraschung lagen die Krumen jedoch immer noch unangetastet auf dem Fußweg. Keine vierkralligen Spuren waren in dem Schlamm zu sehen. Während des Regens hatten die Vögel die Krumen fast noch im Fluge gefangen. Sie waren über ihrer Hütte gekreist, als warteten sie bereits auf das frühmorgendliche Ritual.
    Heute waren sie jedoch ausgeblieben, und sie selbst war so mit der Sonne beschäftigt gewesen, daß sie es nicht bemerkt hatte. Sie blickte zu den Bäumen hinüber, an deren Ästen die Regentropfen glitzerten. Eigentlich müßten die Vögel im Sonnenschein laut zwitschern. Ihr fiel jetzt auf, daß sie seit dem Aufwachen keinen Vogel gehört hatte.
    Merkwürdig. Sehr merkwürdig.
    Wenn die Natur dir ins Ohr flüstert, mußt du zuhören, hatte Drew immer gesagt. Sie wollte sich gerade umdrehen und für den Rat danken, als sie begriff, daß er mit der Stimme der Vergangenheit zu ihr gesprochen hatte. Tausendmal am Tag ertappte sie sich dabei, wie sie plötzlich mit einer Liebe aufblickte, die ihr erkaltetes Herz erfüllte, nur um ein ums andere Mal zu bemerken, daß das, was sie gesehen oder gehört hatte, nicht Drew gewesen war.
    Bis zu seinem Tod hatte sie nicht begriffen, wie sehr er bereits zu einem Teil ihrer selbst geworden war.
    Die Bäume, die hoch vor ihr aufragten, schlanke Birken und mächtige Eichen, erschienen ihr mit einem Mal bedrohlich. Wenn sie nur wenige Schritte tiefer in den Wald hineinginge, würde die Dunkelheit sie umfangen. Die Dunkelheit und das, was die Vögel zum Schweigen gebracht hatte.
    Kein Wind, kein Rascheln kleiner Tiere, kein anderes Geräusch als der Cardidas, der eine halbe Meile hinter der Hütte in Richtung Jahn gurgelte. Dieser Fluß verstummte niemals.
    Der Fluß. Sie wandte sich in seine Richtung. Das braune Wasser reflektierte das Sonnenlicht auf seinen kleinen, glitzernden Wellen. In der Nacht war Eleanora auf ihrem kalten feuchten Lager erwacht und hatte die Arme nach Drew ausgestreckt, der nicht mehr neben ihr lag. Gleichmäßig war der Regen niedergerauscht. Trotzdem hatte sie geglaubt, Stimmen zu vernehmen. Sie hatte sich aufgesetzt, gelauscht, ob sie Drews Stimme aus dem Gemurmel heraushörte, in der Hoffnung, er sei zu ihr zurückgekommen. Aber die Stimmen waren entfernt und fremd, so daß sie sich nach einer Weile selbst einredete, daß ihr der Regen einen Streich gespielt hatte.
    Aber vielleicht hatte sie sich die Stimmen gar nicht eingebildet.
    Sie schauderte. Es hatte keinen Sinn, sich irgend etwas zurechtzuspinnen. Sie mußte jetzt für sich selbst sorgen.
    Sie nahm ihren Schal vom Haken, verließ die Hütte und zog die Tür hinter sich zu. Saugend umschloß der Schlamm ihre Füße und quoll durch die Löcher in ihren Sohlen. Sie machte einen Bogen um die Krümel. Vielleicht pickten die Vögel sie auf, wenn sie zurückkamen. Dann schlug sie den Weg in den Wald ein.
    Seit Tagen war hier niemand gegangen. Der Schlamm wälzte sich wie ein Fluß über den Pfad. Nach einer Weile versuchte Eleanora, auf dem grasbewachsenen Rand zu gehen, aber auch dort war der Boden sumpfig. Es war besser, im Schlamm weiterzugehen. Dort war es zumindest gleichmäßig tief.
    Die Bäume ragten links und rechts in den Himmel und verdeckten die Sonne. Wasser perlte von den Zweigen, als hätte der Regen niemals aufgehört. Die einzigen Lebenszeichen waren die Regentropfen, die auf den Boden klatschten, und ihre Füße, die mit schmatzendem Geräusch im Schlamm versanken. Es war, als wäre sie in einer leeren Welt erwacht.
    Sie kam an dem Hochsitz vorbei, den Drew vor einigen Jahren errichtet hatte. Er wurde von allen Nachbarn im Herbst und Winter benutzt, wenn es nur wenig Wild gab, obwohl die Jagd in diesen Wäldern strengstens untersagt war.

Weitere Kostenlose Bücher