Fey 01: Die Felsenwächter
Körper verstreut, Körper von Fey mit grausam verunstalteten Gesichtern, als wären sie in der heißen Sonne geschmolzen. Sie selbst war mit Blut bedeckt. Ihr Vater brüllte Befehle, aber niemand schien ihm zuzuhören. Alle starrten ungläubig auf die vor ihnen liegenden Leichen.
Ein Arm zog sie in den Schutz einer Mauernische, kurz bevor ein Messer haarscharf an ihrem Gesicht vorbeifuhr. Burden stand schweißgebadet neben ihr. »Woran im Namen aller Mächte hast du gerade gedacht?« stieß er keuchend hervor. »Der Mann hätte dich fast getötet.«
Sie wußte nicht, welchen Mann er meinte. Außer dem Messer hatte sie nichts gesehen. Einen Augenblick war sie mit ihren Gedanken an einem anderen Ort gewesen.
»Wir müssen dich hier irgendwie herausbekommen«, sagte er.
Sie schüttelte den Kopf. »Hol ein paar Soldaten. Wir müssen hinein. Ich weiß, wie wir sie daran hindern können, unseren Leuten Unrat über den Kopf zu schütten.«
Burden blitzte sie einen Moment lang wütend an, bevor er ihren Arm losließ. Er wußte aber, daß jetzt keine Zeit für Diskussionen blieb. Er schob sich bis an den Rand der Menschenmenge vor und zog einige Soldaten an den Armen aus dem Getümmel.
Sie zwickte sich in den pochenden Ellbogen und holte tief Luft. Irgendwie hatte Shima sie angesteckt. Seit Jewel von der Vision der Anführerin gehört hatte, empfand sie Furcht. Sobald diese Schlacht geschlagen war, würde Jewel ein Gespräch mit der Schamanin führen müssen, um herauszufinden, ob sich Visionen wie Schlangen von Geist zu Geist winden konnten.
Aber bis dahin wollte sie sich keinesfalls von ihrer Angst lähmen lassen. Denn wenn sie mitten in der Schlacht von ihr Besitz ergriff, war sie verloren.
12
Vor dem Fenster schrie ein Mann. Es war ein heiseres, lautes, langgezogenes Geräusch, das eher dem Schrei eines Tieres in Todesqualen glich als dem eines Menschen. Matthias hielt auf den Stufen inne und mußte sich mit der Rechten an der feuchten Steinwand stützen. Hier, auf der Treppe zwischen dem ersten und zweiten Stock, war er dem Kampf noch näher.
Die Angst schnürte ihm fast die Kehle zu, und er schluckte krampfhaft. Mit zitternden Fingern zog er an der Schnur, die den Wandteppich zurückhielt. Das dicke Gewebe entfaltete sich, schlug gegen den hölzernen Fensterrahmen und dämpfte den Lärm. Der Schrei wurde noch gellender und schmerzerfüllter. Matthias hastete am Fenster vorbei und verfluchte die plötzliche Dunkelheit, die jeden Schritt gefährlich erscheinen ließ, aber er konnte einfach nicht anders.
Er hatte heute schon zu viele Menschen sterben sehen.
Grausam sterben sehen. Sein Magen drehte sich ihm um bei dem Gedanken, wie man ihnen die Haut Zentimeter für Zentimeter abgezogen hatte. Die Blutströme hatten den Schlamm dunkel gefärbt. Um den Tabernakel herum lagen die Leichen, verlassen und hoffnungslos. Bis jetzt war der Tabernakel verschont geblieben, ohne daß Matthias den Grund begriffen hätte. Die prächtigen Türme, die Fenster mit den Wandteppichen und die juwelenbesetzten Türen ließen keinen Zweifel daran, daß der Tabernakel mehr Reichtümer enthielt als jedes andere Gebäude der Blauen Insel, vielleicht mit Ausnahme des Palastes.
Wieder würgte es ihn, und er schluckte erneut. Wenn die Fey nicht gekommen waren, um die Insel zu plündern, was suchten sie dann hier? Die einzige Antwort, die er auf diese Frage finden konnte, nachdem er ihre entsetzlichen Grausamkeiten auf der Straße gesehen hatte, war die, daß das Töten ihnen Freude bereitete.
Eilig hastete er die letzten Stufen zum ersten Stock hinunter. Die Daniten hatten sich um die Türen und Fenster geschart und alles umklammert, was halbwegs zur Waffe taugte. Manche hatten sogar ihre winzigen symbolischen Schwerter gezückt, eine Tatsache, die jeden der anderen Ältesten mit Verachtung erfüllt hätte. Matthias glaubte jedoch, daß Gott Verständnis für jeden hatte, der seine eigene Haut retten wollte, so gut er es eben vermochte.
Verständnis und vielleicht sogar Vergebung.
Einige Auds und Diener rannten aufgeregt durch die mit roten Teppichen ausgelegten Räume. Die Verwirrung der Männer spiegelte sich deutlich in ihren Gesichtern. Manche versuchten sogar, über die Köpfe der Daniten hinwegzuspähen, um zu sehen, wodurch der Lärm draußen verursacht wurde.
Der Schrei endete schließlich in einem schauerlichen Heulen, aber die darauf folgende Stille war beinahe noch entsetzlicher.
Matthias raffte die schwarze
Weitere Kostenlose Bücher