Fey 01: Die Felsenwächter
verbliebenen Tore. Jewel zog ihr Schwert und folgte den Kriegern in den Palast, nicht ohne sich mit einem Blick zu vergewissern, daß Shima ihr folgte.
Die ersten Soldaten hatten bereits die Pferde losgebunden, und die erschrockenen Tiere galoppierten ziellos durch das Durcheinander, suchten in panischer Angst einen Weg ins Freie. Stallburschen versuchten, die Stalltüren zu schließen. Die Angreifer drängten sich in einen engen Gang zwischen den Stallungen und einem anderen Gebäude. Einige der Soldaten am Rand der Truppe waren in einen Kampf mit der Wachmannschaft verwickelt. Metall klirrte gegen Metall. Babys weinten, Mütter schrien und Pferde bäumten sich auf, drohten alles niederzutrampeln. Unaufhaltsam schob sich der Fey-Trupp durch den Gang, und ein Stück weiter vorne erkannte Jewel die ersten Türme des Palastes. Dieser Palast hatte Fenster, und sie sah, wie jemand hoch oben die schweren Vorhänge beiseite schob und einen Eimer über den Soldaten ausgoß, dessen Inhalt so siedend heiß war, daß er noch in der Luft dampfte.
Jewel stieß einen Warnschrei aus, aber es war zu spät. Schon hatte die Flüssigkeit die Truppen unterhalb des Fensters getroffen, und ihre Schreie vermischten sich mit dem Wiehern der Pferde. Jewel schlug eine andere Richtung ein, versuchte aber immer noch, sich durch die tobende Masse einen Weg nach vorne zu bahnen. Bittere Ausdünstungen von Schweiß und Furcht erfüllten die Luft und vermischten sich mit dem aufgewirbelten Staub, der bei Jewel einen heftigen Niesreiz auslöste.
Immer mehr Wachtposten drangen jetzt aus dem Palast, betäubend laut schlug Stahl gegen Stahl. Auch andere Inselbewohner hatten sich dem Kampf angeschlossen und alle Waffen herbeigeschleppt, derer sie habhaft werden konnten: Äxte, Messer, Stöcke. Jewel sah das alles, ohne eingreifen zu können, denn noch immer steckte sie in der Menschenmenge fest. Endlich gelang es ihr, sich in der Nähe einer Flügeltür im unteren Teil des Palastes aus dem Gedränge zu befreien. Von diesem Teil des Gebäudes ging eine gewaltige Hitze aus, und sie vermutete, daß sie sich in der Nähe der Küche befand. Sie warf einen Blick nach oben, aber dort waren keine Fenster.
Dann öffneten sich die Türen plötzlich, und eine kleine Gruppe Männer trat heraus, einige davon schon in fortgeschrittenem Alter. Alle schwangen behelfsmäßige Waffen. Der Mann an der Spitze hielt ein langes, gezacktes Messer, seine weiße Kleidung war mit Schmutz und Fett bespritzt. - Jewel prägte sich diese Details sogar noch ein, während sie sich auf ihn stürzte und mit ihrem Schwert nach seinem Bauch zielte. Er duckte sich, um den Schlag abzufangen. Sie schlug ihr Schwert so kraftvoll gegen sein Messer, daß ihr Arm von der Wucht des Hiebes zitterte. Das Messer rutschte ihm aus den Fingern und schnitt in seine Hand. Dann bohrte sie ihr Schwert in seinen Leib.
Er taumelte rückwärts und hätte sie beinahe mit sich gerissen, aber sie umklammerte ihr Schwert so fest, daß es sich wieder aus seinem Körper löste. Blut sickerte durch den weißen Stoff, und er starrte ungläubig nach unten, als versetzte ihn die Erkenntnis, daß er bluten konnte, in schieres Entsetzen. Dann ging er zu Boden, noch am Leben, aber außer Gefecht.
Seine Kameraden hatten sich unterdessen zerstreut. Jewel würde sie den Kämpfern überlassen, die ihr gefolgt waren. Sie wollte sehen, was im Inneren des Gebäudes vor sich ging.
Sie stieß die Tür auf und stand in der Küche. Durch die dicken Wände drang kein Kampflärm, und in dem großen heißen Raum war es beinahe unerträglich still. Im Ziegelsteinofen verbrannte das Brot. Niemand kümmerte sich um das unruhig flackernde Herdfeuer. Im hinteren Teil der Küche, in der Nähe der Anrichte, liefen Diener hin und her und transportierten heißes Fett und kochendes Wasser über die Hintertreppe nach oben. Sie hatten eine Art Kette gebildet, um die Eroberer pausenlos begießen zu können.
Jewel zog sich langsam rückwärts aus der Küche zurück. Hier kam sie allein nicht weiter. Sie brauchte Hilfe, andere Soldaten, mit denen sie diese Kette zerstören konnte.
Sie ging wieder hinaus, zurück in den Lärm, den Staub und das Blut. Die Schreie waren schwächer geworden, wurden übertönt vom Keuchen und Klirren des Kampfes. Jewel spähte über das Durcheinander, und plötzlich verschwamm ihre Sicht.
Sie stand mit ihrem Vater neben dem Fluß, seine Stimme wurde vor Panik immer lauter. Über den ganzen Strand lagen die
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