Fey 02: Das Schattenportal
sie einfach so wie immer auf einen Haufen werfen.«
»Ich glaube, er dreht durch.«
»Angeblich hat er nicht mehr geschlafen, seit er an dem Gift arbeitet.«
Sie sprachen von Caseo. Und er erkannte die Stimmen. Klaue und Uences, zwei Rotkappen. Klaue arbeitete oft. Uences war älter und zog es vor, nur während der Schlacht zu arbeiten. Es mußte viel Mühe gekostet haben, sie zum Verlassen der Schattenlande zu bewegen.
Er stellte sich auf die Fragen hinsichtlich seiner Abwesenheit ein, und obwohl er immer noch keine schlüssige Geschichte hatte, würde es wohl genügen. Er umrundete den Erdring und folgte dem Klang der Stimmen.
»Jeder, der nicht schläft, dreht früher oder später durch.«
»Frag mich nur, was mit einem Hüter passiert, wenn er verrückt wird.«
»Jedenfalls paßt es zu Caseo.«
»Er ist nur ehrgeizig. Hält sich wohl für den Schwarzen König.«
»Ich finde ihn unheimlich.«
»Nicht unheimlicher als die anderen auch.«
Klaue und Uences standen ein paar Schritte im Unterholz neben einem Knochenhaufen. Das Fleisch war weg, ebenso die Organe. Hätte Fledderer es nicht besser gewußt, er hätte geglaubt, daß die Körper dort schon sehr lange lagen.
Er räusperte sich.
Klaue und Uences blickten ihn schuldbewußt an. Klaue war mit braunen Flecken übersät, seine Kleidung schmuddelig, das Haar stand ihm steif und verdreckt vom Kopf ab. Uences sah sauberer aus. Wahrscheinlich hatte sie sich nicht daran beteiligt, das Fleisch von den Knochen zu trennen. Doch auch auf ihrer Stirn stand der Schweiß, und unter den Armen und auf dem Rücken waren nasse Flecken zu sehen.
»Wird langsam Zeit«, sagte Uences. »Weißt du, wie lange wir hier schon auf Ablösung warten?«
»Sie haben versprochen, daß am Morgen jemand kommt. Außer diesem Domestiken, den sie als Melder einsetzen, habe ich keinen gesehen.« Klaue hielt ein Schienbein in der Hand. Mit dem Messer schabte er am Knochen entlang, als schnitzte er an einem Stück Holz. Die abgelösten Fetzen steckte er in seinen Beutel.
Fledderer machte den Mund auf und wollte schon seine vorgefertigte Antwort geben, als das, was die beiden soeben gesagt hatten, sein Gehirn erreichte. Sie glaubten, er sei von draußen gekommen. Niemandem war aufgefallen, daß er fehlte. Ein wütender Stich durchfuhr ihn. Er hätte von den Inselbewohnern umgebracht werden können, und keiner hätte sich Sorgen um ihn gemacht. Kein einziger von ihnen.
»Haben sie euch nicht gesagt, daß ich komme?«
Uences schüttelte den Kopf. Eine Haarsträhne fiel ihr an der Seite herab. »Sie sagen uns nichts. Ich glaube, ihnen ist sogar egal, ob uns etwas zustößt oder nicht, solange wir unsere Arbeit tun.«
»Und heute hat es Caseo mit den Knochen von diesen Inselleuten. Gestern waren es Fey-Knochen. Am Tag vorher Nieren. Ich glaube, er weiß selbst nicht so genau, was er tut«, sagte Klaue.
Als Fledderer damals bei ihm war, hatte Caseo ganz bestimmt gewußt, was er tat, aber Fledderer sagte nichts. Je weniger er sagte, um so besser.
»Er will uns nur beschäftigen«, sagte Uences. »Bis jetzt mußten wir noch nie Knochen schälen, nicht mal in L’Nacin.«
»Wieso kannst du dich an L’Nacin erinnern?« fragte Klaue. »Da hast du doch noch in den Windeln gelegen.«
»Ich war ein junges Mädchen. Meine Eltern haben dort gekämpft. Sie sind völlig mit Blut besudelt nach Hause gekommen. Wenn sie damals Knochen abgeschabt hätten, würde ich mich bestimmt daran erinnern.«
Die beiden mußten sich schon die ganze Zeit über gestritten haben. Fledderer war froh, nicht dabeigewesen zu sein. »Wen von euch soll ich ablösen?« fragte er.
»Mich.« Uences steckte ihr Messer in seine kleine Scheide, ließ den Knochen, den sie in der Hand hielt, fallen und reichte ihm ihren halbvollen Beutel. »So ’ne Arbeit mach’ ich nicht.«
»Jetzt warte mal«, sagte Klaue. »Ich habe schon zwei Tage nicht geschlafen. Du kannst warten, bis die nächste Ablösung kommt.«
»Als wenn es eine nächste Ablösung gäbe«, erwiderte Uences. »Sie haben versprochen, daß ich am Morgen gehen kann. Was meinst du, ist es jetzt Morgen?«
»Nein«, sagte Klaue. »Ich kann kaum etwas sehen. Wenn es so weitergeht, schneide ich mir noch den eigenen Finger ab.«
Fledderers Blick wechselte von einem zum anderen. Er hatte überhaupt keine Lust, mit Uences zu arbeiten, aber er wußte auch, was es bedeutete, ohne jede Anerkennung mehrere Tage hintereinander zu schuften. Und er wußte, daß derjenige, der
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