Fey 02: Das Schattenportal
zorniger aussehen ließ, als er wirklich war.
»Selbst wenn das, was du sagst, der Wahrheit entspräche, dann hast du trotzdem versagt«, blaffte Jewel. Sie zitterte. So hatte noch niemand ihren Vater beschimpft. »Die Hüter sind gehalten, Probleme dieser Art vor den Schwarzen König zu bringen oder sich bei seiner Abwesenheit, oder falls er selbst die Ursache des Problems ist, an die Schamanin zu wenden. Hast du schon mit ihr gesprochen?«
»Ich bin ziemlich beschäftigt gewesen«, sagte Caseo und richtete sich auf.
»Also nicht.« Jewel entfernte sich vom Tisch. »Und doch drohst du mir mit der Unfähigkeit meines Vaters. Du versuchst, deine eigenen Fehler auf andere abzuwälzen, und du verlangst von mir die Herausgabe der Gefangenen, ohne zu sagen, was du mit ihnen vorhast. Ich habe keinen Grund, dir zu helfen, Caseo.«
»Es sei denn, du würdest dir selbst damit helfen«, erwiderte er.
»Ich sehe keinerlei Anzeichen dafür, daß überhaupt jemandem geholfen ist, wenn ich dir helfe. Und wenn ich dich dabei erwische, daß du diese Lügen über meinen Vater verbreitest, ohne dich an die dafür vorgesehenen Kanäle zu halten, sorge ich persönlich dafür, daß du auf dem nächsten kleinen Boot zu den Felsenwächtern mitfährst. Dann werden wir ja sehen, aus welchem Holz du geschnitzt bist.«
»Du hast nicht das Recht, mir zu drohen, Mädchen.«
Jewel warf den Kopf zurück. »Ich habe jedes Recht dazu«, sagte sie. »Ich stehe über dir und werde immer über dir stehen, selbst wenn wir für immer auf der Blauen Insel bleiben. Es wäre gut für dich, das niemals zu vergessen.«
»Und du solltest nicht vergessen, daß du ohne uns Hüter nicht einmal wüßtest, wie du deine Macht überhaupt einsetzen sollst.« Caseo riß die Tür auf. Grauer Nebel quoll herein. Die Wetterkobolde experimentierten wohl gerade wieder mit dem Regen herum. »Du bist ein naives Kind, Jewel. Sieh dich doch um. Fey begehen solche Fehler nicht, es sei denn, ihre Magie versiegt. Wir sitzen hier in der Falle, weil dein Vater nicht zugeben will, daß er seine seherische Kraft verliert.«
»Wenn ich dich meinen Vater noch einmal angreifen höre, bringe ich dich eigenhändig vor die Schamanin. Und damit riskierst du, deine Position als Oberhaupt der Hüter zu verlieren.« Jewel zeigte mit spitzem Finger auf seine Brust und schob ihn zurück zur Schwelle.
Kurz davor blieb Caseo stehen und funkelte auf sie herab. »Ich brauche diese Gefangenen.«
»Du kriegst das, was von ihnen übrig ist, sobald ich mit ihnen fertig bin.« Sie legte die Hand auf seine Brust und schubste ihn hinaus. »Jetzt geh und belästige mich nicht länger.«
Er ließ sich über die Schwelle stoßen. Auf der Veranda legte er den Kopf zur Seite und sah sie mit funkelnden Augen an. »Du hast deine eigenen Visionen erhalten, stimmt’s? Was verraten sie dir? Siehst du den Niedergang der Schattenlande? Die Errettung unserer Streitmacht? Ein Leben bis in alle Ewigkeit auf der Blauen Insel? Oder sterben wir alle auf schreckliche Weise, nur weil deine Weigerung, mir zu helfen, die Inselleute dazu in die Lage versetzt, uns alle zu vergiften?«
»Falls ich meine Visionen gehabt hätte«, erwiderte sie, »falls ich sie hätte, dann würde ich ihnen folgen. Und falls ich sehe, daß uns das Gift alle vernichtet, dann sorge ich als erstes dafür, daß ihr Hüter bessere Ergebnisse erzielt. Jetzt verschwinde, bevor mein Vater zurückkommt und ich gezwungen bin, ihm zu erzählen, daß deine Loyalität ihm gegenüber zu wünschen übrigläßt.«
»Caseo glaubt an nichts und niemanden.« Die Stimme ihres Vaters hallte durch den Nebel. »Das ist etwas, das du über die älteren Hüter des Zaubers lernen mußt, Tochter. Sie sind von ihrer eigenen Macht so korrumpiert, daß sie vergessen, daß andere ebenfalls Macht besitzen.«
»Ah, Rugar«, sagte Caseo, ohne sich umzudrehen. »Du hast vergessen, deiner Tochter beizubringen, Höherstehenden zu gehorchen.«
Rugar trat aus dem Nebel heraus. Sein Haar war feucht, und unter seinen Augen zeichneten sich dunkle Ringe ab. »Sie hört auf mich und auf ihren Großvater«, sagte er. »Und womit willst du sie belästigen?«
»Ich will die Gefangenen. Ich glaube, daß sie der Schlüssel zum Gift sind.« Diesmal wandte sich Caseo um, doch nur halb, damit Jewel sein Gesicht eben noch sehen konnte.
»Und was meint meine Tochter dazu?« fragte Rugar.
»Daß er das haben kann, was von den Gefangenen übrig ist, sobald ich mit ihnen fertig bin«,
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