Fey 03: Der Thron der Seherin
war überheizt und roch penetrant nach geschmortem Fasan.
Sebastian hatte aufgehört zu weinen.
Niemand sprach. Nichts war in dem großen Raum zu hören außer dem Knistern des Feuers und jenem unbestimmten Geraschel, das Menschen von sich geben, wenn sie versuchen, sich ganz ruhig zu verhalten.
Die Stille war gespenstisch. Nicholas wagte nicht einmal, seinen Sohn anzusehen. Hätte er die Wahl zwischen dem Leben seines Sohnes und dem seiner Frau gehabt, er hätte sich für Jewels Leben entschieden. Er bat den Roca dafür um Vergebung, aber sein Sohn war nur eine Hülle, ein leeres Ding, kein Kind, aber Jewel …
Jewel bedeutete ihm alles.
Ihr Bauch war nicht mehr fest und gespannt, sondern bewegte sich in wellenartigen Krämpfen. Das Leuchten unter der Hand der Schamanin hatte sich über Jewels ganzen Unterleib ausgebreitet und gab den Blick auf die tieferliegenden Haut- und Gewebeschichten, auf pulsierende Blutströme, das Fruchtwasser um das Ungeborene und den Embryo selbst frei.
Dessen Körper war flach, und die Augen gerade. Sogar Nicholas erschien das Wesen völlig verängstigt zu sein.
»Mein Gott«, sagte er. »Das Kind schmilzt auch.«
»Nein«, erwiderte die Schamanin. Sie blickte auf die umstehenden Fey. Es handelte sich ausschließlich um Frauen, die ihr Haar geflochten und zu einem Kranz geschlungen hatten. Die meisten hatten tiefschwarzes Haar, aber in einigen Zöpfen zeigten sich bereits die ersten grauen Strähnen. »Sie wird uns nicht mehr helfen können. Wir müssen es selbst tun.«
Die Katze erhob sich und trat neben die Schamanin. Sie ließ sich neben ihr nieder, die Vorderpfoten ordentlich nebeneinandergelegt, und starrte auf Jewels Unterleib, als hielte sich darin eine Maus versteckt.
»Was wollt ihr machen?« fragte Nicholas.
»Wenn wir das Kind jetzt nicht holen, stirbt es«, antwortete die Schamanin.
»Und was ist mit meinem Enkel?« fragte Rugar auf Fey.
Mit einem Ruck hob die Schamanin den Kopf. Ihre dunklen Augen waren undurchdringlich, aber ihr Gesichtsausdruck war so wütend, daß sogar Nicholas zurückwich. »Deinem Enkel kann ich nicht mehr helfen. Halt jetzt den Mund und geh mir aus dem Weg. Ich sage es nur einmal.«
»Jewels Gesicht schmilzt immer noch«, sagte Nicholas auf Nye. Sein Fey war für eine solche Notlage zu holprig. »Kannst du nicht zuerst Jewel helfen?«
»Wir helfen der Enkelin des Schwarzen Königs am besten dadurch, daß wir ihr das Kind abnehmen, das sie trägt«, antwortete die Schamanin in derselben Sprache.
Nicholas drückte Jewels Hand, aber sie erwiderte den Druck nicht. Das Ungeborene in ihrem Schoß hatte wieder die Gestalt eines normalen Säuglings angenommen; die Hände waren zu winzigen Fäusten geballt, und es strampelte.
»Wir müssen das Kind selbst holen«, sagte die Schamanin auf Fey. Eine der Fey-Frauen kniete sich zwischen Jewels Beine, schob ihr den Rock hoch und drückte die Knie auseinander. Eine andere half ihr dabei. Eine dritte machte sich an Jewels Bauch zu schaffen und versperrte Nicholas die Sicht.
Ein Ruck ging durch Jewels Körper, so heftig, daß sich ihre Hand beinahe aus der seinen gelöst hätte. Ihre Augen waren immer noch geschlossen, ihr Mund hatte sich halb geöffnet. Wieder durchfuhr sie ein Krampf, und Nicholas verstand. Sie lösten diese Krämpfe in ihr aus, damit ihr Körper so reagierte, als läge sie in den Wehen.
»Wird das gutgehen?« fragte er Rugar in der Inselsprache.
Jewels Vater sah jetzt doppelt so alt aus wie noch vor einer halben Stunde. Sämtliche Kraft schien aus seinem Körper gewichen zu sein. »Ich weiß es nicht«, erwiderte er. »Die Hebammen machen es manchmal, wenn die Mutter …« Seine Stimme brach. Er schwieg und schüttelte den Kopf.
Als der nächste Krampf einsetzte, hielt Nicholas Jewels Kopf fest. Sie roch nur noch schwach nach verbranntem Fleisch. Die Fey-Frau, die ihm am nächsten stand, drückte fest auf Jewels Unterleib. Die Frau zwischen Jewels Knien nickte.
»Ich kann den Kopf sehen«, sagte sie auf Fey.
»Bist du sicher, daß es ein Kopf ist?« fragte jemand. Nicholas wußte nicht, wer da gesprochen hatte. »Das Kind könnte sich verwandeln.«
»Da sind Haare und ein Schädel zu sehen. Kein Zweifel. Die Form ist stabil.«
Schweiß rann über Nicholas’ Rücken. Wieder wurde Jewels Körper von einem Krampf geschüttelt. In der Nähe loderte das Feuer. Sogar die Katze beobachtete mit großem Interesse, was da vor sich ging.
»Noch einmal fest drücken«, sagte eine der
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