Fey 03: Der Thron der Seherin
Persönlichkeit strahlte Energie und Macht aus. »Ich habe dir gesagt, daß Jewel Frieden wollte. Und ich habe dich gebeten, mich dabei zu unterstützen. Aber dein Egoismus hat dich auf die Blaue Insel geführt, und deine Angst hat dich dazu gebracht, die einzige Person mitzunehmen, die dein Vater an deiner Statt zur Thronfolgerin auserkoren hätte. Zum Glück für uns alle, Rugar, ist dein Vater immer noch am Leben. Er wird den Schwarzen Thron nur dann an Bridge weitergeben, wenn ihn die Natur dazu zwingt.«
»Also kann ich immer noch Schwarzer König werden«, sagte Rugar.
»Seht euch diesen Mann an, wie er neben der Leiche seiner Tochter steht und um seine eigene Zukunft schachert. Nein, Rugar«, bekräftigte die Schamanin, »Schwarze Könige mögen vielleicht während der Regentschaft ihre Vision verlieren, aber Blinde Thronanwärter werden in der Thronfolge übergangen.«
»Ich bin nicht Blind«, sagte Rugar.
»Du bist Blind. Sonst hättest du eine Vision von diesem Tag gehabt. Ich schäme mich, daß ich erst jetzt erkannt habe, wie Blind du wirklich bist. Ich dachte, deine Liebe zu Jewel sei stark genug, um ihren Tod zu verhindern. Ich hatte nicht begriffen, daß du ihn nicht einmal Gesehen hast.«
»Jewel wußte es«, sagte Nicholas leise. »Sie hat es mir erzählt. Sie sah mich zum ersten Mal in einer Vision. An dem Tag, als wir einander begegneten, fragte sie mich, was Orma lii bedeutete. Ihre Aussprache war falsch. Später hat sie mir erzählt, daß ich diese Worte in ihrer Vision zu ihr gesagt habe. Und heute nachmittag habe ich genau diese Worte an sie gerichtet. In meiner eigenen Sprache. Ich habe sie gefragt, ob es ihr gutginge, ohne mich an ihre Vision zu erinnern. Ich wußte es nicht.«
Dort, wo die Schamanin ihre Hand auf Nicholas’ Hand gelegt hatte, glomm ein schwaches Licht. Nicholas schien es nicht zu bemerken, aber Rugar entging es nicht. Die Schamanin achtete diesen Jungen. Und sie wußte etwas über ihn. Etwas, das sie nicht sagen wollte.
»Hat Jewel dir von ihrer Vision erzählt, Rugar?«
Er gab keine Antwort. Die Schamanin würde mit allen Mitteln verhindern, daß er der nächste Schwarze König wurde, und jetzt war Jewel tot. Und Gabe wahrscheinlich auch. Rugars Herz zog sich zusammen. Der kleine Gabe, der jüngste Visionär in der Geschichte seines Volkes. Er wäre sehr mächtig geworden.
Aber dieses kleine Mädchen war auch mit großer Macht gesegnet. Diese Gestaltwandlerin. Ein Kind visionärer Eltern war ebenfalls der Visionen fähig. Dieses Mädchen hatte Visionäre Kraft und obendrein konnte sie sich Verwandeln. Das verlieh ihr eine gewaltige Macht.
»Das Neugeborene ist eine Gestaltwandlerin«, sagte Rugar. »Keine Inselbewohnerin ist in der Lage, sich um dieses Kind zu kümmern. Laßt sie mich ins Schattenland bringen. Sie wird …«
»Nein«, schnitt ihm die Schamanin das Wort ab. »Du wirst dieses Kind nicht berühren.«
»Sie ist meine Enkelin. Sie könnte eines Tages die Schwarze Königin werden. Es ist mein Recht, dafür zu sorgen, daß sie in Sicherheit aufwächst.«
»Das ist auch mein Recht.« Die Schamanin hatte Nicholas losgelassen und Rugars Hand gepackt. Sie legte sie auf Jewels Stirn. Die Haut fühlte sich schwammig an, die darunterliegenden Knochen hatten sich zersetzt. »Das hast du angerichtet, Rugar. Das ist dein Werk. Jewel hat dir von ihrer Vision erzählt, nicht wahr? Aber vor lauter blindem Ehrgeiz hast du ihr nicht zugehört, ebenso, wie du auch meine Warnungen in den Wind geschlagen hast.«
»Ich habe Jewel von der Heirat abgeraten«, verteidigte sich Rugar. Er versuchte, die Hand wegzuziehen, aber die Schamanin war zu stark. Sie hielt ihn fest in ihrem Griff. »Wir dachten, die Vision würde sich während der Hochzeit abspielen.«
»Du hättest diese Vision ernst nehmen sollen, Rugar«, sagte die Schamanin. »Wann hat Jewel sie zum ersten Mal gehabt?«
Die schwammige Masse unter seinen Fingern gab nach. Jewels Haar an seinen Fingerspitzen fühlte sich an wie öliger Hanf und nicht wie Menschenhaar.
»Ich weiß es nicht«, erwiderte er.
»Sie sagte, es sei noch in Nye gewesen.« Nicholas hielt seine Hände wie schützend über die Rugars und der Schamanin, zog sie aber jetzt weg. »Bitte, tut ihr nicht weh.«
»Dafür ist es ohnehin zu spät, mein Junge«, antwortete die Schamanin. »Er hat sie bereits verletzt, als er beschloß, hierherzukommen. Die Vision in Nye konnte nichts mit einer Heirat zu tun haben. Wann genau hatte sie diese
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