Fey 03: Der Thron der Seherin
persönlich würde ihm den Bauch bis zum Hals aufschlitzen. Aber Ihr werdet wahrscheinlich etwas zivilisierter vorgehen.«
Momentan war er sich da nicht so sicher.
Die Kinderfrau hatte alles beobachtet und anscheinend kein Wort begriffen. Nur Nicholas, sein Vater und einige der Lords hatten die Sprache der Fey gelernt. Sie hielt Sebastian ebenso eng umschlungen wie Nicholas seine Tochter.
Die Frau folgte seinem Blick. »Ich vermute, die da kümmert sich auch um den Säugling?«
»Meinst du die Kinderfrau?«
»Was immer sie auch sein mag, außer völlig verängstigt. Windeln, Fläschchen und Erbrochenes fallen nicht in meinen Aufgabenbereich. Lediglich Ausbildung, Intelligenz und Wandlungen.«
Fast gegen seinen Willen mußte Nicholas lächeln. Die Energie, die diese Frau ausstrahlte, war Balsam für seinen schmerzerfüllten, erschöpften Geist. »Ich werde jeden deiner Schritte überwachen«, sagte er.
»Gerne.« Ihr Tonfall war ein wenig herablassend. »Ihr würdet nicht das geringste merken, wenn dieses Kind in Gefahr wäre. Ich habe mich Euch freiwillig zu erkennen gegeben, es bestand keine Notwendigkeit dafür. Ich hätte Eure Tochter mit Leichtigkeit in der Nacht holen können, genauso, wie ich es bei Coulter getan habe.« Sie schüttelte den Kopf. »Ein grober Fehler. Soviel Zauberkraft, und alles ist in Rugars Hände gelangt. Aber der Junge ist noch klein, und seine Zauberkraft wird sich erst in der Pubertät voll entfalten. Wäre sie jetzt schon entwickelt, dann hätten die Inselbewohner nicht die leiseste Chance.«
Nicholas verstand nicht, was sie da redete, aber es war ihm auch völlig gleichgültig. Das kleine Mädchen hatte seine Hand naß gemacht. »Wird sie sich bald wieder Verwandeln?«
Die Frau zuckte die Achseln. »Eher unwahrscheinlich. Säuglinge Verwandeln sich unwillkürlich, wenn sie verängstigt sind oder unter großer Anspannung stehen. Wirklich gefährlich wird es erst nach dem ersten Monat, wenn es ihnen nicht mehr genügt, die Welt nur anzustarren, wenn sie ihre eigenen Muskeln erproben wollen. Arme, Hände, Füße … und die Verwandlungen.«
»Was geschieht als nächstes?« fragte Nicholas.
Die Frau tippte auf die Schulter der Kinderfrau. »Sieht so aus, als müßten die Windeln der kleinen Prinzessin dringend gewechselt werden«, sagte sie in der Sprache der Inselbewohner.
Die Kinderfrau blickte Nicholas um Bestätigung bittend an.
»Schon in Ordnung«, sagte er. »Suchen wir ein sicheres Plätzchen für Sebastian und kümmern uns dann um seine Schwester. Ich passe solange auf ihn auf.«
Die Kinderfrau nahm ihren Umhang ab und breitete ihn auf dem Boden aus. Dann setzte sie Sebastian darauf. Nachdem sie der Frau einen mißtrauischen Blick zugeworfen hatte, ging sie zum Waschbecken. Irgend etwas verbrannte in den Öfen, vermutlich das, worum sich Burden nach den Anweisungen des Kochs hätte kümmern sollen.
»Ihr habt mich gefragt, was jetzt weiter geschieht«, sagte die Frau auf Fey. »Zuallererst stellen wir uns einander vor, ganz wie es sich gehört. Ich heiße Solanda. Ich werde Euch Nicholas nennen. Falls Ihr darauf besteht, daß ich Euch mit ›Hoheit‹ anrede, sind wir geschiedene Leute.«
Wieder mußte er lächeln. Wie gut, daß er noch lächeln konnte. Es ließ ihn hoffen, daß er irgendwann einmal wieder unbeschwerterer Gefühle fähig sein würde. »Einverstanden.«
»Na schön«, sagte sie. Sie blieb bei Sebastian stehen und schüttelte ihre Hand. Diese Geste hatte Nicholas schon häufiger bei Katzen gesehen, wenn sie sich vor etwas ekelten. »Jewel hat Euch erlaubt, diesem Lehmklumpen einen Namen zu geben, nicht wahr? Das war ein Fehler. Deswegen ging diese Runde vermutlich an Rugar. Fey-Kinder brauchen Fey-Namen.« Sie kam wieder zu Nicholas und musterte aufmerksam das Gesicht des Säuglings. »Wir gehen in meine Generation zurück. Keine sprechenden Namen. Das ist eine Sitte der L’Nacin, nicht unbedingt die Tradition der Fey.« Sie streichelte der Kleinen über das Köpfchen. »Wir werden sie Arianna nennen.«
»Sie ist auch ein Kind der Insel«, widersprach Nicholas. Dann schwieg er plötzlich. Er erinnerte sich an eine Unterhaltung mit Jewel. Ich schwöre dir, hatte sie gesagt, es war einfacher, dieses Kind zu machen, als ihm einen Namen zu geben.
Solanda schüttelte den Kopf und verdrehte gereizt die Augen. »Arianna war eine berühmte Gestaltwandlerin, die sich als Kleinkind hinter die feindlichen Linien schlich. Als zweite Gestalt nahm sie
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