Fey 03: Der Thron der Seherin
so, wie es Eurer verfehlten Gelehrsamkeit entspricht?«
»Ich habe mich schon zu Eurer Mordanklage geäußert«, gab Matthias zurück. »Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen.«
»Davon müßt Ihr erst einmal den Palast überzeugen«, entgegnete Porciluna.
Matthias verschränkte die Arme vor der Brust. »Führen wir die Kirche jetzt nach den Vorgaben des Palastes?«
»Nein«, antwortete Porciluna. »Aber der Fünfzigste Rocaan war alt und krank, als er starb. Seine Wahnvorstellung, er sei der Roca, beweist, daß sein Verstand vernebelt war. Er hat Euch in dem Glauben, er kehrte wieder zurück, als sein Nachfolger benannt. Das ist nicht geschehen. Ich glaube, es ist jetzt an der Zeit für die Ältesten, einen neuen Rocaan zu wählen.«
»Das ist in der Geschichte des Tabernakels noch nie vorgekommen«, sagte Timothy.
»Aber es ist schon versucht worden«, entgegnete Linus. »Der damalige Rocaan hat fast die Kirche zerstört, als er sich dagegen auflehnte.«
Matthias’ Mund verzog sich zu einem zerdehnten Grinsen. »Nun, Porciluna, Ihr glaubt also, daß Ihr der nächste Rocaan sein werdet. Seid Ihr so verbittert darüber, daß Euch der Fünfzigste Rocaan nicht zu seinem Nachfolger bestimmte und damit verhinderte, daß Ihr die Kirche in noch größerem Maße ausplündert?«
»Ich trage den Rocaanismus in meinem Herzen. Mehr als Ihr, Matthias, davon bin ich überzeugt. Ich würde niemals und unter gar keinen Umständen einen Mord begehen, um an mein Ziel zu gelangen«, erwiderte Porciluna.
Matthias ging nicht auf den mangelnden Respekt ein. Im Moment hatte er an Wichtigeres zu denken. »Nun«, sagte er.
»Ich bin sicher, es ist auch in Nicholas’ Sinne, wenn Ihr einen neuen Rocaan wählt.«
»Es würde zumindest die Beziehungen zum Palast entspannen«, sagte Linus, als wollte er Matthias überreden.
»Ja, nicht wahr?« Matthias lächelte Linus zu und zuckte dann die Achseln. »Ich glaube, es wäre gut, wenn Ihr alle einen neuen Rocaan wähltet.«
Porciluna schürzte die Lippen und sah aus, als erwarte er einen Kuß. Linus grinste. Ilim runzelte die Stirn. Timothy starrte angestrengt auf die Wandmalereien, als hätten sie sich während der letzten Minuten drastisch verändert. Vaughn und Reece sahen Matthias so ungläubig an, als hätte er den Verstand verloren, und Eirman schüttelte den Kopf.
Dann richtete sich Matthias zu seiner vollen Größe auf und überragte damit fast alle Anwesenden um Haupteslänge. »Solltet Ihr Euch dazu entschließen, bedenkt, daß Ihr damit das Kirchenrecht brecht. Ein neuer Rocaan kann nur, nachdem die Geistlichen und die Daniten einen Bericht über die Gesundheit des amtierenden Rocaan abgefaßt haben, von zehn Ältesten gewählt werden. Ihr müßt alle versammeln, die Ihr dafür benötigt, und das wird nicht von heute auf morgen gehen. Wenn Ihr dann wählen müßt, werdet Ihr es mit acht Ältesten tun müssen. Ich habe nicht vor, zwei weitere zu ernennen. Ich glaube, daß Ihr damit gegen das Kirchenrecht verstoßen würdet, aber ich beuge mich gerne meinem Freund, dem Ältesten Eirman. Befinde ich mich im Irrtum oder nicht, Eirman?«
Eirman blickte auf seine Kollegen. Er stand weit hinter ihnen, so daß sie die Panik auf seinem Gesicht nicht erkennen konnten. »Ich … äh, das müßte ich erst anhand der Literatur überprüfen«, wandte er ein.
»Selbst wenn wir festlegen, daß der neue Rocaan auch von acht Ältesten gewählt werden kann, so stellen wir uns damit doch gegen die Geschriebenen und Ungeschriebenen Worte. Der Roca wählte seinen Nachfolger kurz vor seinem Tod, und bisher sind alle Rocaans diesem Beispiel gefolgt. Ich bin noch zu jung, um meinen Nachfolger zu bestimmen. Ich glaube, eine solche Entscheidung geriete mir sogar zum Schaden.« Matthias raffte die Falten seiner Robe zusammen. »Außerdem halte ich keinen von Euch für ausreichend qualifiziert. Es gibt ein paar Daniten, die ich in die engere Auswahl gezogen habe. Es wird noch ein paar Jahre dauern, ehe ich mir sicher bin, ob sie zu Höheren Geistlichen taugen oder nicht, ganz zu schweigen von Ältesten. Ich kann nur hoffen, daß mir noch genügend Jahre bleiben, um diese Entscheidungen zu treffen.«
»Wenn wir den neuen Rocaan wählen, ist es Eure Pflicht, unserer Wahl zuzustimmen«, sagte Porciluna.
»Ihr irrt«, entgegnete Matthias. »Meine Pflicht ist es, die Gläubigen so gut zu führen, wie ich es vermag. Und das tue ich.«
»Wir sind da anderer Ansicht.«
Matthias zuckte die
Weitere Kostenlose Bücher