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Fey 03: Der Thron der Seherin

Fey 03: Der Thron der Seherin

Titel: Fey 03: Der Thron der Seherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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Reisende nicht über die südliche Straße zu erreichen. Kein Unbefugter konnte sich an der Leiche des Königs zu schaffen machen.
    Um Titus herum huschten die Auds. Obwohl einige von ihnen früher Titus’ Kameraden gewesen waren und manche sogar älter waren als er selbst, fühlte er sich ihnen um Jahre überlegen. Beim Tod des Fünfzigsten Rocaan war Titus vierzehn gewesen, und dieses Erlebnis hatte ihn um zehn Jahre altern lassen. Obwohl er eben erst neunzehn geworden war, fühlte er sich, als hätte er schon die ganze Welt gesehen.
    Hier war die Straße eben und breit, was an dem lebhaften Verkehr nach Jahn aus dieser Richtung lag. Vor der Invasion waren die Leute jeden Sommer und Herbst aus dem Süden herbeigekommen, um Waren feilzubieten, in der Stadt Einkäufe zu machen und mindestens einen Gottesdienst im Tabernakel zu besuchen. Nach der Invasion war der Händlerstrom fast zum Erliegen gekommen, aber Titus vermißte das lebhafte Treiben noch immer. Früher hatte er im Sommer immer Gelegenheit gehabt, seine Familie zu sehen, aber seit dem Tod des Rocaan war es damit vorbei.
    Damals hatte er alles verloren. Jetzt war ihm nur noch die Religion geblieben, und selbst die veränderte sich. Der Einundfünfzigste Rocaan schien nichts von den Grundsätzen des Rocaanismus zu verstehen. Ihm fehlte die Liebenswürdigkeit seines Vorgängers, eine Liebenswürdigkeit, die sich auch auf die niedrigeren Gottesdiener erstreckt hatte. Statt dessen beschäftigte er sich mit sprachlichen Spitzfindigkeiten und Hintertürchen in den Ordensregeln, um seine Macht zu vergrößern, ja, sich sogar über den König zu erheben.
    König Alexanders Leiche in den Tabernakel bringen zu lassen war auch so ein Trick. Titus fürchtete, daß von jetzt an alles nur noch schlimmer werden würde. Mit König Nicholas würde der Einundfünfzigste Rocaan leichtes Spiel haben.
    Macht. Erstaunlich, daß es immer um Macht ging. Für Titus war das Wichtigste am Rocaanismus nicht die Macht, sondern der Glaube. Titus hatte die Invasion überlebt. Er hatte einen Besuch im Lager der Fey überlebt und auch das schreckliche Attentat auf den Fünfzigsten Rocaan. Titus wußte, daß der Heiligste über ihn wachte. Er wußte, daß Gottes Auge auf ihm ruhte.
    Manchmal benahm sich der Einundfünfzigste Rocaan, als existierte Gott gar nicht.
    Jetzt trat Simon, einer der anderen Daniten, zu Titus. Er war fast doppelt so alt wie dieser, schon seit zehn Jahren Danite und würde es vermutlich für den Rest seines Lebens bleiben. Er war klein und schlank. Seine schwarze Robe war stets untadelig gebügelt, seine Füße steckten in teuren Sandalen. Die meisten anderen Daniten gingen barfuß, so wie der Roca in seiner Jugend. Es war ein unausgesprochenes Vorurteil, daß nur die Ungläubigen Schuhe trugen.
    Wie Titus war auch Simon ein Zweitgeborener. Nur hatte er die Traditionen der Kirche nie begriffen. Er hatte die Kirche lediglich benutzt, um seinen Ehrgeiz zu befriedigen. Als er herausgefunden hatte, daß Titus ausgewählt worden war, den Trauerzug des Königs anzuführen, hatte er ihn angeschnauzt. Er war überzeugt gewesen, man werde ihm, Simon, diese Aufgabe übertragen.
    »Bist du sicher, daß wir auf der richtigen Straße sind?« fragte er jetzt.
    Seine Stimme war dünn und heiser, ein Nachteil, wenn er in Kirchen außerhalb Jahns Gottesdienste abhielt. Einer der Hohen Geistlichen, der Männer, die dem Tabernakel und den Kirchen vorstanden, hatte Titus verraten, daß Simons Stimme und sein Ehrgeiz seinem Aufstieg im Rocaanismus immer im Wege stehen würden.
    »Der Älteste hat diesen Treffpunkt angeordnet«, antwortete Titus. Er bemühte sich, mit fester Stimme zu sprechen. Auch er hatte sich schon gefragt, ob sie am richtigen Ort standen. Eigentlich hatte er gehofft, der Trauerzug erwarte sie bereits. Aber eine Reise über die Insel verschlang viel Zeit, besonders im Frühling, wenn alle möglichen überraschenden Vorfälle die Reise verzögern konnten.
    »Vielleicht hast du ihn falsch verstanden«, beharrte Simon.
    »Laß den Jungen in Ruhe«, mischte sich Gregor ein. Er war ein älterer Danite, der von Rechts wegen die Beerdigungsprozession anführen sollte. Aber Daniten, die ein bestimmtes Alter erreicht hatten, dienten nur noch als Assistenten oder Wanderprediger. Man nahm an, sie hätten keinerlei Ehrgeiz und Glauben mehr, und beides spielte im Tabernakel eine wichtige Rolle. »Dein Genörgel ändert nichts daran. Du mußt dich endlich damit abfinden, daß

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