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Fey 04: Die Nebelfestung

Fey 04: Die Nebelfestung

Titel: Fey 04: Die Nebelfestung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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überall, im gesamten Reich der Fey. Nur einer von zehn überlebte. Das Reich der Fey war damals noch sehr klein. Inzwischen erstreckt es sich über die halbe Welt. Wollt Ihr für ein Gemetzel dieses Ausmaßes verantwortlich sein?«
    »Ich glaube nicht an alte Mythen«, sagte Nicholas. »Andernfalls könnte ich Euch unseren Rocaan gar nicht ausliefern.«
    Die Schamanin stutzte. Ihre Augen glitzerten, doch ihr Haar wirkte jetzt stumpf, nur noch ein weiches, brüchiges Weiß. »Welches Schicksal fordert Ihr damit heraus?«
    »Der Rocaan ist der Gottgefällige«, sagte Nicholas.
    »Ihr versucht Euren eigenen Gott?« fragte die Schamanin.
    »Ich bin meinem Gott bisher noch nicht begegnet«, erwiderte Nicholas. »In der vergangenen Woche hat Er mir meinen Vater und meine Frau genommen. Er läßt mich mit einem Kind zurück, das seine Gestalt nicht beibehalten kann, und mit einem anderen, das keinen rechten Verstand besitzt. Er läßt mich ein Reich regieren, das womöglich keinen weiteren Tag mehr übersteht. Wenn ich zwei Kulturen gegen einen zornigen Gott in die Waagschale werfen soll, dann rette ich lieber die vielen Leben.«
    Die Flammen im Kamin waren in sich zusammengesunken. Die Schamanin löste die verschränkten Hände, doch die Knöchel standen vor Anspannung fast so weiß wie ihr Haar hervor.
    Ihr Schweigen wirkte wie ein Richterspruch.
    Nicholas’ Herz klopfte so stark, daß er glaubte, es hören zu müssen. Aber er rührte sich auch nicht von der Stelle.
    Erst nach langen Minuten erhob sie sich. »Ihr verfügt über eine Courage, die mir fehlt.«
    Auch er stand auf. »Euer Mangel an Courage wird uns alle umbringen«, sagte er.
    Sie legte eine Faust auf ihren Bauch. »Ich Sehe Eure Tochter, Eure schon fast erwachsene Tochter, wie sie in jenem Garten steht, die Hand ihres Bruders hält, und ihre dunklen Köpfe glitzern im Sonnenlicht. Ich höre Vögel, und ich weiß, daß in unserer Welt alles gut bestellt ist. Aber ich weiß nicht, wie wir zu diesem Ort gelangen. Was ich nicht Sehen kann, ist die nächste Woche, geschweige denn nächstes Jahr. Ich weiß, daß Rugars Vater lebt, und ich weiß, daß er die Blaue Insel nicht aufgegeben hat. Und weil ich diese beiden Dinge weiß, bin ich nicht willens, auch nur den Geringsten aus der Familie des Schwarzen Königs aufs Spiel zu setzen. Ich weigere mich, das Streichholz anzuzünden, das womöglich die falsche Flamme entfacht. Und wenn das heißt, daß ich uns zu einem Jahrzehnt des Kampfes verdamme, dann sei es so. Besser hundert Leben als hunderttausend.«
    »Besser zwei Leben als hundert«, konterte Nicholas.
    »Eure Gewißheit entspringt Eurem Mangel an Glauben«, sagte die Schamanin. »Diese Gewißheit kann ich mir nicht erlauben.« Sie verneigte sich vor ihm und ging auf die Tür zu.
    Als sie Hand auf die Klinke legte, sagte er: »Ich werde meinen Vater rächen.«
    Sie ließ die Stirn einen Augenblick gegen die Tür sinken. Dann sagte sie: »Zuerst werdet Ihr Eure Frau rächen.«

 
6
     
     
    Burden saß auf dem Versammlungsstein und wartete. Das Schattenland war beinahe überfüllt. Seit Jewels Tod ging kaum noch ein Fey nach draußen. Die Fey aus der Siedlung erkundigten sich, ob ihre Familien sie wieder in ihren Hütten aufnahmen. Die anderen Fey warteten ab, was Rugar zu tun gedachte.
    Burden hatte Rugar in der Hütte der Hüter verschwinden und kurz darauf mit Streifer wieder herauskommen und zum Domizil gehen sehen. Als Burden die Warterei schon fast aufgeben wollte, öffnete sich der Torkreis, und ein Mann schlüpfte herein. Sein Gesicht sah aus wie das eines Inselbewohners. Es schimmerte, ließ für den Augenblick, in dem er durch die Tür trat, sein eigenes aufblitzen, dann wechselte es wieder in die Illusion zurück: runde Augen, runde Wangen, blondes Haar.
    »Ich habe dich vergangene Nacht erwartet«, sagte Burden.
    Die Illusion schimmerte und verschwand. Täuscher stand vor Burden, schlank, dunkelhäutig, beinahe ein Schatten seiner selbst. Spione waren von schmächtiger Statur, die sie in die gleiche Kategorie wie die Traumreiter und andere Nachtgeschöpfe stellte. Fast unsichtbar, kaum existent, mit so gut wie keiner eigenen Persönlichkeit ausgestattet, verfügten Spione lediglich über die Macht, eine einfache Illusion um sich herum aufzubauen. Sie konnten ihr Erscheinungsbild so ändern, daß es den Unaufmerksamen nicht auffiel. Die Aufmerksamen sahen immer die dunklen Augen hindurchblicken, sahen immer die wahre Größe des Spions, die

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