Fey 04: Die Nebelfestung
mehr genau an den Wortlaut, nur an den Inhalt. »Ich dachte, er hätte …«
Sie lächelte. Die Runzeln in ihrem Gesicht vertieften sich. »Rugar ist sehr gut darin, andere Leute das denken zu lassen, was er sie denken lassen will. Darin ist er ein wahrer Meister. Glaubte Jewel, daß er nichts damit zu tun gehabt habe?«
»Sie hat sich nicht dazu geäußert.« Nicholas verstummte. An ihrem letzten gemeinsamen Abend hatten sie zusammen hier vor diesem Kamin gesessen, seine Hand auf ihrem prallen Bauch. Arianna hatte von innen dagegengetreten. »Zuerst glaubte sie, Burden sei es gewesen.«
»Aber?«
»Sie hat ihn zur Rede gestellt. Danach war sie davon überzeugt, daß er es nicht gewesen ist.«
»Aber sie glaubte immer noch daran, daß Euer Vater von einem Fey getötet wurde?«
Nicholas nickte. Er kehrte zu seinem Stuhl zurück, setzte sich und legte die Hände auf die Knie, um sich so gut es ging zu schützen und dabei so offen wie möglich zu bleiben.
Rugar. Er hätte am meisten davon profitiert, Jewel dem Thron einen Schritt näher zu bringen.
»Als ich den Überfall auf Matthias ansprach, erwähntet Ihr den Jungen.«
Die Schamanin nickte. »Bevor ich Euch mehr davon erzähle, junger Nicholas, muß ich Euch sagen, daß ich Euch für einen guten Mann halte, der sich Mühe gibt, die Fey zu verstehen. Wir sind ein Kriegervolk. In der Schlacht treffen wir mitunter unvorhergesehene Entscheidungen.«
Er hob den Kopf. Etwas in ihrem Ton machte ihn stutzig. Sie warnte ihn. »Das gleiche hat mir Jewel gesagt.«
»Gut«, nickte die Schamanin. »Um so leichter wird es Euch fallen, ihr zu verzeihen.«
Seine Hände klammerten sich um die Knie. »Jewel? Was hat sie damit zu tun?«
»Sie hat das Geschäft vorgeschlagen.« Die Schamanin lehnte sich zurück. »Zwischen ihr, Adrian und dem jungen Luke. Es war Jewels Idee.«
»Die Übereinkunft, Adrians Leben gegen das von Luke zu tauschen? Davon hat sie mir nichts erzählt.«
»Es gibt viel, was sie Euch nicht erzählt hat«, sagte die Schamanin. »Die Fey sind Krieger. Unsere Geheimnisse geben wir nur ungern preis. Wenn wir glauben, die Information schade uns oder unserer Sache, schweigen wir lieber. Leider ist uns dieses Verhaltensmuster auch im persönlichen Bereich in Fleisch und Blut übergegangen.«
Das kannte er. In den letzten paar Tagen hatte er viel gelernt. Doch selbst das hatte seinen Gefühlen Jewel gegenüber keinen Abbruch getan. Alles, was er erfahren hatte, war logisch gewesen. Er hatte nicht bei den Fey gelebt. Jewel hatte gehofft, ihr Volk ändern zu können. Sie hatte mit einem Einheimischen als Einheimische gelebt. Ein Teil dessen, was sie wußte, hätte nicht zu seiner Einstellung ihr und ihrem Volk gegenüber gepaßt.
»Mir scheint, als bestünde diese Übereinkunft aus mehr als nur dem Tausch«, sagte Nicholas.
Die Schamanin nickte. »Damit die Absprache funktionierte, mußten wir in der Lage sein, Luke jederzeit rasch ausfindig zu machen. Auf diese Weise hätte Adrian mit einer Flucht seinem Sohn nur geschadet. Als wir Luke mit unserem Zauberspruch belegten, fügten wir auf Anweisung von Rugar zwei weitere Zauber hinzu.«
Schon wieder Rugar. Nicholas’ Schwiegervater hatte für so manches Rechenschaft abzulegen.
»Er verlangte, daß wir Luke mit einem Bann belegten, einem verborgenen Impuls, der ihm, gesetzt den Fall, einem der Anführer der Fey stoße etwas zu, befahl, dafür Rache zu nehmen. Der Bann war mächtig. Er hielt über viele Jahre an. Nach Jewels Tod hat ihn jemand im Schattenland ausgelöst. Jemand, der auf Rache sann.«
»Rugar?«
Die Schamanin schüttelte den Kopf. »Er verfügt nicht über die Fertigkeiten, einen Zauber ohne Hilfe in Kraft zu setzen. Jemand anderes. Ich habe eine Vermutung, aber keinen Beweis.«
»Was war das für ein anderer Zauber?« fragte Nicholas. »Läuft Luke mit einer anderen Weisung herum, die uns eines Tages in unseren Betten umbringen wird?«
Die Schamanin schüttelte den Kopf. »Die Traumreiter verabreichten ihm falsche Erinnerungen. Hinsichtlich Jewel. Um ihn an die Fey und die Schattenlande zu binden.«
Jewel hatte sich mit Luke getroffen und war fluchend weggegangen. Sie hatte behauptet, nichts für ihn tun zu können.
Luke, der Jewel so heftig und auf so unheimliche Weise verfallen war.
Falsche Erinnerungen.
Nicholas hätte Jewel mehr über die Fey ausfragen sollen. Sein Vater hatte versucht, soviel wie möglich über die Fey in Erfahrung zu bringen. Zuerst hatte er diesen
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