Fey 04: Die Nebelfestung
lebte.«
»Wie ein Zauber«, murmelte Solanda, als sie sich dessen bewußt wurde.
»Richtig. Wie ein Zauber, der ein Mysterium schafft, das wir vielleicht niemals ergründen werden.«
Das Kind seufzte und rollte sich im Schlaf auf die Seite. Solanda hielt einen Finger auf der Schulter des Kindes, um sicherzugehen, daß keine Veränderung eintrat, solange sie nicht aufpaßte.
»Aber …«, sagte sie, »… wenn sie so wie wir sind, dann ist dieses Kind nichts Ungewöhnliches.«
Die Schamanin senkte den Kopf. »Wenn sich die Völker vermischen, werden wir sogar noch mächtigere Kinder haben.«
»Dann sollten wir dafür eintreten«, sagte Solanda. »Wir sind seit jeher der Magie gefolgt.«
»Solange wir die Zustimmung des Schwarzen Thrones hatten«, gab die Schamanin zu bedenken.
»Der Schwarze König ist in Nye. Wir brauchen seine Zustimmung nicht.«
»Dann ist sein Sohn dafür zuständig.«
Ihr Worte schwebten im Raum. Im sterbenden Feuer knackte ein Scheit. Funken stoben wie Irrlichter umher.
»Rugar versteht das alles überhaupt nicht, habe ich recht?« fragte Solanda leise.
»Rugar ist ein Krieger«, antwortete die Schamanin. Das Licht der Glut verfing sich in ihrem Haar wie in feinen Spinnweben. Sie mochte wohl eine junge Schamanin sein, aber sie war eine alte Frau, mit einem alten Körper, der das Gewicht der Fey auf den Schultern trug.
»Rugar ist seit jeher ein Krieger gewesen«, sagte Solanda. »Aber jetzt vertraust du ihm nicht mehr.«
»Ich …« Die Stimme der Schamanin versagte. Sie drehte den Kopf zum Feuer hin, weg von Solanda. »Ich habe ihm nie getraut. Niemals. Ich bin nur mitgekommen, weil ich mich nicht davor drücken konnte. Ich war die jüngste Schamanin, und der Schwarze König hatte angeordnet, daß eine von uns mitfahren mußte.«
»Glaubst du, er wußte von Rugars Blindheit?«
»Ich glaube, er wußte, daß wir auf der Blauen Insel in der Falle sitzen würden«, sagte die Schamanin.
Solanda erschauerte. Kein Wunder, daß Rugad nicht gewollt hatte, daß Jewel mit hierher kam. Kein Wunder, daß er Rugar so einfach hatte losziehen lassen. Kein Wunder, daß er auch auf Solandas Teilnahme am Feldzug bestanden hatte. »Dann weiß er wohl auch von Arianna?«
»Das kann ich nur vermuten«, meinte die Schamanin. »Und meine Vermutung sagt mir, daß er nicht weiter Sehen konnte als zu Rugars Niederlage. Hätte der Schwarze König von der hier anwesenden Magie gewußt, wäre er selbst mitgekommen.«
»Aber seinen eigenen Sohn wegschicken, in den fast sicheren Tod …« Solanda schüttelte den Kopf. »Kommt mir nicht ganz richtig vor.«
»So etwas ist auch früher schon geschehen.«
Die Schamanin sprach leise und bedächtig. Es war zu früheren Zeiten nur ein paarmal vorgekommen, und jedesmal, um zu verhindern, daß sich das Blut gegen sich selbst erhob. Mord innerhalb der Familie des Schwarzen Königs, innerhalb seiner rechtmäßigen Familie, war unsäglich.
»Du hältst Rugar nicht für verrückt genug, um für den Schwarzen Thron zu töten, oder?« fragte Solanda.
»Wofür ich ihn halte, spielt keine Rolle«, erwiderte die Schamanin. »Was allein zählt, ist das, was der Schwarze König denkt.«
Solanda verlangte es danach, Arianna hochzunehmen und fest in die Arme zu schließen. Statt dessen legte sie den Zeigefinger um die Faust des Säuglings. »Rugar war es also tatsächlich egal, als wir dachten, Gabe würde sterben. Und Arianna will er nur ihrer Zauberkräfte wegen haben.«
»Und wegen allem anderen, was sie ihm geben kann.« Die Schamanin faltete die Hände ineinander und blickte vom Feuer weg. Die Solanda zugewandte Gesichtshälfte lag im Dunkeln. Die Schamanin schien nur noch ein Schatten ihrer selbst zu sein, umgeben von rötlichem Lichtschimmer.
»Aber wenn er Blind ist, kann sie ihm überhaupt nichts geben«, sagte Solanda.
»Sie ist noch ein kleines Kind. Er kann aus ihr machen, was er will. Das ist die Macht der Erwachsenen. Wenn er diese mächtige kleine Seele in die Finger bekommt, dazu ihren Bruder, der schon jetzt sein Spielzeug ist, und obendrein den Zauberer von der Insel, dann verfügt er über mehr Zauberkräfte als ich, mehr Macht als sonst jemand auf dieser Insel, und wahrscheinlich auch über mehr Macht als sein Vater. Vielleicht besitzt er sogar jetzt schon zuviel Macht. Aber dieses Kind hier würde die Sache noch schlimmer machen.«
»Dann laß mich Gabe aus dem Schattenland stehlen«, sagte Solanda. »Nicholas wird sich um ihn kümmern.«
Die
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