Fey 04: Die Nebelfestung
er, Matthias belehren zu können.
»Es ist die gleiche Diskussion«, sagte Matthias. »Wer im Besitz der Geheimnisse ist, der weiß, wie die Fey zu schlagen sind.«
Titus lehnte sich zurück. Das Blut auf seinen Fingerspitzen war getrocknet. »In den Schlafsälen der Auds heißt es, Eure Gelehrtheit habe dem Fünfzigsten Rocaan dazu verholfen, das Weihwasser als Waffe einzusetzen.«
Matthias schüttelte den Kopf. »Nein, diese Entdeckung war purer Zufall.«
»Aber die Entscheidung, das Wasser nach diesem Zufall einzusetzen, wurde auf Euer Anraten hin getroffen. Ihr überzeugtet den Rocaan von der Rechtmäßigkeit seines Einsatzes durch Berufung auf die Geschriebenen und Ungeschriebenen Worte.«
»Rechtmäßigkeit«, sagte Matthias. »Woher willst du wissen, daß uns der Roca das Wasser zu keinem anderen Zweck hinterlassen hat?«
»Ihr verdreht die Logik sehr geschickt, Heiliger Herr, aber die Logik dient nicht immer den Gläubigen.«
Das Pochen hatte sich zu einem dumpfen Schmerz beruhigt. »Komm mir nicht mit Auslegungen der Worte«, sagte Matthias. »Manchmal muß man Logik anwenden, um die Worte zu verstehen.«
»Nein«, widersprach Titus. »Man muß den Glauben anwenden. Wenn es einem von Herzen wider den Strich geht, dann ist es falsch. Ihr habt das Weihwasser als Waffe benutzt, als Mordinstrument. Nicht nur ein Tod, sondern Hunderte lasten auf euch. Der König hat recht getan, Euch aufzusuchen. Seine eigene Logik war falsch.«
»Nicholas reagierte nur. Mit der Zeit wird er begreifen und verstehen, was ich getan habe.«
»Der König weiß, daß Frieden besser ist als Krieg. Diese Lektion solltet Ihr nicht vergessen, Heiliger Herr.«
»Und du solltest nicht vergessen, daß du mit dem Rocaan, deinem obersten Vorgesetzten, sprichst!«
»Ich glaube nicht daran, daß Ihr den Roca vertretet. Ich glaube nicht, daß Ihr der Gottgefällige seid. Ich glaube, daß der Fünfzigste Rocaan Euch erwählte, weil er damit rechnete, zurückzukehren, und ich glaube, daß er genau an diesem Punkt einen Fehler begangen hat. Er versuchte, Euch zu seinem Garanten zu machen, weil er glaubte, Gott würde es niemals zulassen, daß ein Mann wie Ihr der Einundfünfzigste Rocaan wird. Doch Gott hat ihn eines Besseren belehrt. ›Ein arroganter Mann muß stets für seinen Stolz leiden.‹«
Matthias blickte Titus an. Titus’ Wangen waren von einem Eifer gerötet, den Matthias selbst niemals erfahren hatte. »Jetzt bist du es, der arrogant wird«, sagte Matthias. »Du hast keine Ahnung vom Fünfzigsten Rocaan. Als er starb, warst du noch ein Kind.«
»Ich war vierzehn«, erwiderte Titus. »Und ich habe meine Weisung überlebt. Ich bin ohne Schutz und ganz allein in die Schattenwelt der Fey gegangen.«
»Und du glaubst, das verschafft dir ein moralisches Vorrecht vor allen anderen? Es beweist lediglich, daß du ihnen lebend nützlicher warst als tot.«
»Ihr seht die Dinge nur so, wie sie in dieser Welt existieren, nicht aber in der spirituellen Sphäre.«
»Ich sehe die Dinge so, wie sie sind«, sagte Matthias. Er stützte sich mit der Hand an der Wand ab und stemmte sich hoch, wobei er ein Stöhnen unterdrückte. Dank Nicholas’ zügellosem Wutausbruch mußte er sich jetzt mit einer entzündeten Wunde herumschlagen.
»Wenn Ihr die Dinge seht, wie sie sind, so wüßtet Ihr, daß der König recht hat. Gott kann nicht zulassen, daß Ihr am Leben bleibt.«
Matthias richtete sich auf und blickte auf Titus hinab. »Wenn ich in all den Jahren im Tabernakel etwas gelernt habe, dann das: stelle Gott niemals in Frage.«
»Und doch sprecht Ihr mit solcher Zuversicht davon, daß Gott bei den Toden, die Ihr verantwortet habt, die Hand im Spiel hatte.« Jetzt erhob sich auch Titus.
»Du weißt, daß ich dir für diese Unverschämtheit die Robe nehmen könnte.«
»Aber Ihr werdet es nicht tun.«
»Nein«, sagte Matthias. »Das werde ich nicht.« Er musterte den Jungen. Titus war kleiner als Matthias, ein wenig untersetzt, aber robust gebaut. Niemand hielt ihn für wichtig, weil er nicht wichtig war. »Für dich habe ich mir etwas anderes ausgedacht.«
Titus wischte sich die Hände an der Robe ab und klopfte dann den Staub aus dem Stoff. Ein paar Garnfäden hingen vom Saum auf den Boden. Der Windzug vom Fenster war empfindlich kalt geworden. Matthias war müde und wünschte sich nichts mehr, als endlich in seinen Gemächern Ruhe zu finden. Aber dafür hatte er keine Zeit. Er durfte die vielen Warnungen nicht ignorieren. Das wäre
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