Fey 05: Der Schattenrpinz
nicht«, antwortete Solanda. »Ich wußte erst, daß er hier war, als ich sah, wie Arianna ihm durchs Fenster hinterherflog.«
»Was wollte er von dir?« wandte sich Nicholas an Sebastian. Das Gesicht des Jungen war eine Maske des Kummers.
»Er hat dauernd gesagt, daß Sebastian mit ihm von hier weggehen soll«, erwiderte Arianna an Sebastians Stelle. »Er hat versucht, ihn zu überreden. Ich habe ihn verjagt.«
»Und warum wollte er, daß Sebastian den Palast verläßt? Wollte er seinen Platz einnehmen?«
»Nein, sie wollten zusammen fliehen«, erklärte Arianna. »Ich dachte, er will Sebastian entführen.«
»Nein …«, mischte sich Sebastian ein.
Nicholas hockte sich vor seinen Sohn und ergriff die Hand des Jungen. Sebastians Haut war so kühl wie sonst, etwas, was Nicholas immer wieder überraschte. Dem Jungen war anscheinend nie richtig warm gewesen. »Warum ist Gabe gekommen?« fragte er freundlich.
Sebastian entzog Arianna seine andere Hand. Dann hielt er einen Finger hoch. Das bedeutete, daß er etwas Längeres zu sagen hatte.
»Gabe … hat … gesagt … er … hat … Tod … hier … Gesehen … Er … hat … mir … einen … alten … Fey … gezeigt … der … mit … einem … von … uns … redet … Manchmal … war … es … Gabe … Manchmal … ich … Dann … hat … ein … anderer … Fey … ihn … oder … mich … getötet … Es … war … im … Palast … Gabe … hatte … Angst … um … mich … wenn … ich … ich … hierbleibe … Aber … er … wollte … daß … ich … dir … oder … Ari … Bescheid … sage … bevor … ich … gehe …«
Nicholas mußte sich setzen. Das alles war zuviel für ihn. Der Junge war gekommen, um Sebastian zu retten? Nicht, um’ seinen rechtmäßigen Platz an Nicholas’ Seite einzunehmen?
Solanda konzentrierte sich ganz auf Sebastian. Ihre Katzenaugen glühten. »Ein alter Fey?« fragte sie. »Ein Schamane?«
Sebastian schüttelte den Kopf.
»Hast du Gabe schon früher gesehen?« erkundigte sich Nicholas. Wie oft hatte er seinen Sohn wohl schon verpaßt?
»Nicht … direkt … Er … war … hier … drin«, Sebastian deutete langsam auf seine Stirn, »seit … wir … klein … sind … Wir … sind … Verbunden.«
»Was ist das, ›Verbunden‹?« wandte sich Nicholas ungeduldig an Solanda. Wieso kannte Sebastian Gabe, Nicholas hingegen nicht? Warum hatte Solanda ihm nichts erzählt? Oder Arianna?
Was bezweckten die Fey damit, ihm seinen Sohn vorzuenthalten?
»Wir alle sind Verbunden«, erläuterte Solanda. »Wir sind durch Blutsbande Verbunden und durch Liebe. Die meisten von uns fühlen diese Fesseln, aber wir können nichts damit anfangen. Nur wenige, vor allem Visionäre und Zauberer, können entlang ihrer Verbindungen reisen und die andere Person in deren Kopf besuchen.«
»Das heißt, Gabe verfügt über Magie«, murmelte Nicholas.
So, wie Jewel es vorhergesagt hatte.
Also hatte sie doch recht gehabt.
Und ihr Vater hatte alles zunichte gemacht.
»Visionen«, murmelte Solanda. »Gabe ist ein mächtiger Visionär. Der mächtigste, der je gelebt hat.«
Sie sah Arianna an, während sie sprach, und Nicholas wußte auch, warum. Jewel war immer davon überzeugt gewesen, daß ihre gemeinsamen Kinder über gewaltige Zauberkräfte verfügen müßten. Arianna hatte sich Verwandelt, seit sie den Mutterleib verlassen hatte. Sie besaß große Fähigkeiten. Ihr Bruder anscheinend ebenso.
»Und Gabe hat Sebastian erschaffen? Den Wechselbalg?«
»Nein«, erwiderte Solanda. »Rugar hat den Wechselbalg anfertigen lassen. Das ist Aufgabe der Domestiken. Gabe hat dem Stein Leben eingehaucht. Persönlichkeit kann über eine Verbindung weitergegeben werden. Wenn es auf die übliche Weise funktioniert hat, hat Gabe jedesmal kleine Teile seines Wesens in Sebastian zurückgelassen, die dann zu Sebastians eigener Persönlichkeit geworden sind.«
»Also ist Sebastian ein lebendiges Wesen«, schloß Nicholas erleichtert.
»Habt Ihr das bezweifelt?« fragte Solanda.
»Du schon«, knurrte Arianna. »Du hast ihn ›Klumpen‹ genannt.«
Demnach schien sich Sebastians Persönlichkeit im Lauf der Jahre entwickelt zu haben. Also war auch Sebastian ein Kind von Jewel und Nicholas. Ein Stück von Gabe, das bei ihnen lebte.
Und doch …
»Ich meine«, erklärte Nicholas, »ob Sebastian eine von diesem Gabe getrennte Persönlichkeit ist.«
»Zweifellos«, spottete Solanda. »Ihr würdet nicht so fragen, wenn Ihr Gabe sehen
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