Fey 07: Die Augen des Roca
gesehen.«
»Fremde?« Tri klang immer noch ungläubig.
Sie nickte.
Er trat ein, ohne sie anzusehen. Statt dessen ging er zu Zak, zog einen Stuhl heran und half Zak, sich zu setzen. Pausho beobachtete Tri, aber er ließ nicht erkennen, ob er beunruhigt war oder dieses Treffen nur als ein lästiges Zwischenspiel empfand, das ihn von seiner Arbeit in der Schmiede abhielt.
»Sind die anderen benachrichtigt worden?« erkundigte sich Tri.
»Ja«, erwiderte Pausho und fragte sich, ob er sie für eine Idiotin hielt. Sie wußte genau, wie man eine Versammlung einberief, auch wenn sie es noch nie zuvor getan hatte. Normalerweise trafen sich die Weisen am Tage des Vollmonds, und diese Versammlungen dauerten nur sehr kurz.
Trotzdem kannte Pausho die vorgeschriebene Prozedur. Pausho wußte, daß der Anblick eines Langen eine Versammlung erforderlich machte, genau wie die Geburt eines Dämons.
In diesem Augenblick trat Fyr ein. Sie war ganz außer Atem. An ihrem dicken Arm hing ein Korb, und auch sie war passend zur frühen Morgenstunde gekleidet. Sie war fünfzehn Jahre älter als Tri und ein Jahr vor ihm in den Kreis der Weisen gewählt worden.
Pausho sehnte sich nach ihrer alten Gruppe, mit der sie den größten Teil ihrer Laufbahn zusammengearbeitet hatte. Eine Gruppe, die ohne viel Federlesens Säuglinge in den Bergen aussetzen ließ, die an den Traditionen und Legenden festhielt, ohne sich von Geschichten aus anderen Gegenden irritieren zu lassen, und die es für notwendig hielt, schnell und ohne lange Diskussionen zu handeln.
»Ich habe Rin gesehen«, keuchte Fyr. »Sie muß jeden Moment hier eintreffen.«
Rin war die fünfte und letzte der Weisen von Constantia. Sie war der Gruppe kurz nach Pausho beigetreten, und sie standen sich fast so nahe wie Schwestern.
Rin trat ein. Auch sie war außer Atem, ihr rundes Gesicht war dunkelrot. Sie sah aus, als habe sie einen weiten Weg hinter sich.
»Die Langen«, schnaufte sie, und aus ihrer Stimme hörte Pausho die gleiche Angst, die sie selbst verspürte. Sie waren jetzt die ältesten Weisen. Es schien erst Wochen her zu sein, als sie noch die jüngsten gewesen waren und wissensdurstig zu jenen aufgeblickt hatten, die einige Jahrzehnte älter waren.
Jahrzehnte älter und jetzt tot.
»Die Langen«, sagte auch Pausho. »Schließ doch bitte die Tür.«
Rin kam der Aufforderung nach. Sie war klein und rundlich, ihre graudurchsetzten braunen Locken waren ungekämmt. Ihre bunte Kleidung war wahllos zusammengewürfelt, die Verschlüsse der Kleidungsstücke standen größtenteils offen. Jemand hatte sie aufgeweckt, und sie hatte sich in aller Eile etwas übergeworfen, bevor sie hierher gestürzt war.
»Wir müssen die anderen Weisen benachrichtigen lassen«, forderte Zak.
Er meinte die Weisen der anderen Dörfer, die die kleinen Siedlungen in den Bergen vertraten, und jene Weisen, die isoliert in der Nähe der Spangen des Todes lebten und nur ihre eigenen Familien repräsentierten.
»Machen wir«, stimmte Pausho zu. In den letzten Jahren hatte sie die Führung dieser Gruppe übernommen, ohne daß sie sich mit ihrer Stellung hätte anfreunden können. Eigentlich war Zak der älteste, aber er hatte weder den Wunsch noch die Fähigkeit zu führen. Er machte nur Vorschläge. Pausho dagegen verstand es, sich durchzusetzen. »Als erstes müssen wir unsere eigenen Leute warnen. Wir müssen verhindern, daß die Langen in dieser Gegend ihre Geschäfte treiben, in Kontakt mit unseren Kindern kommen und unsere Jugend verführen.«
Tri seufzte. »Ich glaube, wir reagieren ein wenig übertrieben. Wir wissen doch gar nicht, wer die Leute sind oder was sie wollen. Wahrscheinlich halten sie uns jetzt für abergläubische Hinterwäldler.«
»Ist das wichtig?« fragte Fyr gelassen. »Kümmert es uns, was andere über uns denken?«
Tri zuckte die Achseln. »Mir ist es jedenfalls nicht gleichgültig. Wenn sie zu Pferd kommen, brauchen ihre Pferde vielleicht neue Hufeisen. Oder ihre Waffen müssen repariert werden. Ich kann in meiner Schmiede immer neue Kunden gebrauchen. Pausho hat selbst gesagt, daß sie auf den Marktplatz gehen wollten. Sie wollten Geld ausgeben. Das ist doch gut für uns …«
»Gut?« Rin ließ sich auf einen der Stühle sinken. Mit alterskrummen Fingern versuchte sie, die Knöpfe ihres Pullovers zu schließen. »Du bist ein Weiser, ohne die Geschichten zu kennen?«
»Lang!« sagte Tri. Dann erhob er sich. Er war genauso groß wie Pausho, Rin und Zak. Die meisten
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