Fey 08: Im Zeichen der Schwerter
gewesen.
Ihr einziger und zugleich ihr größter.
Die Schamanin dachte an Gabe und wünschte sich, daß ihre Verbindung stärker wäre …
Die Welt Wandelte sich zum dritten Mal.
Jetzt erblickte die Schamanin Bridge, Jewels Bruder, der im Bankgebäude von Nye in einem Sessel saß und mit seinen Beratern sprach.
»Vielleicht ist er dort gestorben«, sagte Bridge gerade.
Die Schamanin kehrte für einen Augenblick an die Oberfläche ihres Bewußtseins zurück. Sie fühlte, wie ihr Speichel über Lippen und Kinn lief und wie der harte Boden gegen ihre Brust drückte.
Nicholas hockte noch immer neben Arianna und murmelte etwas vor sich hin. Die Schamanin versuchte, sich aufzurichten …
… und sah Blut. Ströme von Blut, die sich über die ganze Insel ergossen. Die Straßen waren mit Leichen übersät, und Fey liefen im Kreis wie rasende, verwirrte Tiere.
Auf dem Schwarzen Thron saß eine Frau.
Nein, ein Mann.
Eine Frau.
Die Bilder blitzten auf und veränderten sich, und dann veränderte sich noch etwas anderes.
Plötzlich stand alles wieder still.
Zwei Zaubermeister standen am Ort der Macht neben einem Brunnen, waren dabei, die Hände ins Wasser zu tauchen.
Zwei Zaubermeister.
Nur einer würde es überleben.
Über der Schamanin kreisten lachend die Mächte. Sie konnte weder ihre Gesichter noch ihre Körper erkennen. Sie fühlte sie nur, hörte ihr Gelächter. Es war laut, aber nicht so laut wie die Stimme:
Dieser Ort ist nicht für dich bestimmt, sagte sie. Kehr um.
Kehr um.
»Ich kann nicht«, stöhnte die Schamanin. »Ich bin jetzt einem anderen zu Treue verpflichtet.«
Du weißt nicht, wem deine Treue zu gelten hat, widersprach die Stimme.
Aber sie wußte es.
Ihre Treue galt jenem Mann, der sich dort drüben über seine Tochter beugte. Jenem Mann, der verzweifelt versuchte, das Leben eines Mädchens zu retten. Ihm und einem seiner Kinder.
Welchem, wußte die Schamanin nicht.
»Helft uns«, bat sie.
Was glaubst du, was wir hier tun? fragte die Stimme spöttisch, als die Vision verblaßte.
VERGELTUNG
17
Rugad segelte durch die Luft. Er fühlte sich so verletzlich wie nie zuvor in seinem Leben. Niemand beschützte ihn, weder seine Leibwächter noch seine Truppen, nicht einmal sein eigener Körper. Er war nur ein Lichtpünktchen, das durch den freien Raum schwebte.
Die Druckwelle zu Beginn der Explosion hatte seinen ganzen Körper erschüttert. Er war hintenüber geschleudert worden und hatte dabei einen Stuhl zerbrochen. Während er fiel, waren seine Augen offen und leer, sein Gesicht ohne jeden Ausdruck: Im nächsten Augenblick würde das Poltern des Stuhls die Wachposten alarmieren. Rugad mußte in seinen Körper zurückkehren, bevor jemand das Zimmer betrat. Sein innerstes Wesen, seine Seele, suchte nach einer warmen, einladenden Herberge. Vielleicht war Rugads eigener Körper zu weit weg.
Oder zu leer.
Er ließ sich im Sturzflug fallen.
Hinter ihm hallte die Explosion des Golems von den Zimmerwänden wider.
Rugad berührte seine eigene Schulter, kroch über sein Gesicht, die zerfurchte Haut, die hohen Wangenknochen, und drängte schließlich gegen ein Auge. All das dauerte nur Sekundenbruchteile und erschien ihm doch endlos. Dabei flogen noch nicht einmal die Splitter des Golems durch die Luft. Anscheinend hatte Rugad jedes Zeitgefühl verloren. Von diesem Phänomen hatte er zwar gehört, aber es noch nie am eigenen Leib erfahren, denn es blieb üblicherweise den Schamanen vorbehalten.
Die Tränenflüssigkeit seines Auges war ein echtes Hindernis. Rugad fühlte sie klebrig unter seinen imaginären Fingern. Die über seinen Kopf hinwegfliegenden Steine spiegelten sich in der Iris. Rugad kroch über die Schläfe und schlüpfte in sein Ohr hinein.
Ganz plötzlich befand er sich wieder in seinem eigenen Körper.
Rücken und Kopf taten ihm weh, die wunde Kehle schmerzte scheußlich. Er blickte durch seine Augen und sah die Steinsplitter auf sich zusausen.
Rasch kauerte er sich wie ein Embryo zusammen und schützte dabei mit den Händen seinen Kopf. Dutzende von Steinen prasselten stechend auf seinen Rücken. Das Gefäß an seiner Hüfte zerbrach, und mit einem Schrei befreite sich seine Stimme aus den Scherben.
Die Steine trommelten wie Hagel auf ihn ein.
Die Balkontüren flogen auf. Die Wachen, die Rugad selbst auf dem Balkon postiert hatte, stürzten ins Zimmer. Auch die Zimmertür öffnete sich, und die übrigen Wachen kamen herein. Sie drängten sich um
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