Fey 08: Im Zeichen der Schwerter
…?«
»Seit dem ersten Feldzug gegen Nye, Herr.«
»Und du hast immer für mich gesprochen, wenn es nötig war, und dich um meine Bedürfnisse und einen reibungslosen Ablauf gekümmert?«
»Ja, Herr.«
»Seit meiner Verwundung aber hast du dir eingebildet, daß meine Macht in Wirklichkeit deine eigene sei. Du hast für den Schwarzen König gesprochen, der selbst dazu nicht in der Lage war, also warst du der Schwarze König. Als Hexer war das für dich ein Kinderspiel. Die Leute rissen sich darum, dir einen Gefallen zu tun, nicht wahr?«
Weißhaars Augen wurden schmal. Er war clever. Er hatte gemerkt, daß diese Versammlung nicht dem Zweck diente, seine Verdienste zu würdigen oder ihn dafür zu belohnen.
»Nicht wahr?« wiederholte Rugad, diesmal so laut er konnte. Seine Stimme war trotzdem nur ein Krächzen, aber es reichte.
»Ich habe nur deine Befehle weitergegeben, Herr«, verteidigte sich Weißhaar. Er stand unverändert aufrecht mit vorgestrecktem Kinn.
»Ach ja?« flüsterte Rugad. »Wirklich?«
Im Zimmer war es unnatürlich still. Wenn sich sonst eine Gruppe dieser Größe versammelte, war immer ein Rascheln, ein gelegentliches Husten, ein schweres Atmen zu hören.
Niemand gab auch nur einen einzigen Laut von sich. Es schien, als hätten sie alle Angst, Rugads Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Gut.
»Du hast meine Befehle hinter meinem Rücken nicht weniger als fünfundzwanzigmal widerrufen. Ich mußte feststellen, daß du meine Anweisungen mindestens fünfzehnmal nach deinen eigenen Vorstellungen ›ergänzt‹ hast, während wir alle darauf warteten, daß meine Kehle heilte. Du hast den Domestiken erzählt, du seist jetzt die Stimme des Schwarzen Königs, und sie hätten sich entsprechend zu benehmen. Stimmt das?«
Weißhaar schwieg.
»Stimmt das?« Rugads Stimme kam einem Brüllen so nahe wie möglich. Die Worte platzten heraus wie ein jäher Hustenanfall. Seger, die Heilerin, machte unwillkürlich einen Schritt auf Rugad zu, schien es sich dann aber anders zu überlegen.
»Ich habe nur getan, was für das Reich das Beste war«, behauptete Weißhaar.
Rugad trat näher. Nur Weißhaars Augen bewegten sich und wurden etwas größer. Obwohl er es gut zu verbergen wußte, hatte Weißhaar Angst. Rugad konnte es riechen.
»Also?« wiederholte Rugad.
»Ja.« Weißhaar schluckte. »Jemand mußte während deiner Genesung für Recht und Ordnung sorgen.«
»Ich sorge hier für Recht und Ordnung. Ich war nie zu krank, um Befehle zu erteilen. Daß ich nicht sprechen konnte, bedeutet nicht, daß ich unfähig war zu denken.« Rugad trat noch einen Schritt auf Weißhaar zu. Nun trennten sie nur noch wenige Zentimeter. Weißhaar mußte den Kopf ein bißchen in den Nacken legen, um Rugad noch in die Augen sehen zu können.
»Ich habe nur deine Befehle ausgeführt«, verteidigte sich Weißhaar.
»Und sie nach Belieben ergänzt.«
»Die Zettel … die schriftlichen Befehle … waren manchmal nicht ausführlich genug. Die Leute stellten Fragen …«
»Die du nie an mich weitergegeben hast.«
»Es waren unwichtige Fragen …«
»Es gibt keine unwichtigen Fragen.«
»Ich bitte um Verzeihung, Herr, aber …«
»Es gibt keine unwichtigen Fragen«, wiederholte Rugad. Dann lächelte er plötzlich und drehte sich nach seinen Generälen um. Sie verfolgten die Unterhaltung mit aufgerissenen Augen. Rugads Blick streifte Selia. Sie sah aus wie ein in die Enge getriebenes Kaninchen, das so tut, als sei es ein Löwe. Sie saß aufrecht, mit ausdruckslosem Gesicht, aber ihre Augen waren aufgerissen, und ihre Nasenflügel bebten.
»Hast du gehört, wie er mir widerspricht?« fragte Rugad.
Selia schluckte und nickte knapp.
Rugad verschränkte die Hände hinter dem Rücken und umkreiste Weißhaar in weitem Bogen. Als er wieder am Ausgangspunkt angekommen war, ging er von neuem um sein Gegenüber herum und dann wieder, und jedesmal wurde der Kreis enger.
Zuerst versuchte Weißhaar, den Kopf zu drehen und Rugad mit dem Blick zu verfolgen, aber dann mußte er gemerkt haben, wie lächerlich er aussah, und er blickte wieder starr geradeaus. Er preßte die Lippen so fest zusammen, daß sie weiß wurden.
Endlich blieb Rugad stehen, weniger als eine Handbreit von ihm entfernt. »Du hast die Befehlskette absichtlich unterbrochen. Du hast meine Autorität untergraben. Du hast versucht, die Macht des Schwarzen Throns an dich zu reißen. Willst du das leugnen?«
»Ich handelte im Interesse des Fey-Imperiums«, erwiderte
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