Fey 08: Im Zeichen der Schwerter
Matthias weg.
Die Feyfrau ließ entsetzt die Hände sinken, aber die Schamanin krümmte sich trotzdem vor Schmerzen.
Sie schien mit dem Tode zu ringen.
Nicholas kletterte über den letzten Felsen, blieb aber stehen, als er sah, wie die drei Männer Matthias fortschleppten.
»Nein!« schrie er, aber mit Arianna auf dem Rücken konnte er ihnen nicht folgen.
Außerdem durfte er die Schamanin nicht einfach ihrem Schicksal überlassen.
Er lief so schnell über die Steinterrasse, wie er konnte. Arianna prallte gegen seine Schulter, und er packte sie so fest, daß sie bestimmt blaue Flecke davontrug. Er hätte sie gern abgesetzt, aber er wagte es nicht.
Was sollte er tun, wenn sie sich wieder Verwandelte?
Er war allein, allein mit der Schamanin, einer Frau, die Jewel glich, und den drei Männern, die Matthias wegtrugen.
Er mußte Matthias entkommen lassen.
Wieder einmal.
In diesem Augenblick war Matthias unwichtig.
Verglichen mit der Schamanin.
Verglichen mit Arianna.
Verglichen mit der Blauen Insel selbst.
Ohne seine Tochter konnte Nicholas die Insel nicht zurückerobern.
Ohne die Schamanin konnte er seine Tochter nicht wieder zum Leben erwecken.
Er rannte weiter. Das Gesicht der Schamanin lief rot an, und ihr Nacken verfärbte sich, obwohl die Feyfrau, die aussah wie Jewel, ein ganzes Stück zurückgetreten war.
Jetzt verstand Nicholas auch, was die Frau sagte.
»Nein, nicht du!« rief sie. »Das ist falsch!«
Ihre Stimme klang genau wie Jewels.
Sie wich noch weiter zurück und reckte die Fäuste zum Himmel.
»Nein!« rief sie wieder. »Das ist nicht fair! Nehmt jemand anderen! Laßt mich einen anderen Preis zahlen!«
Plötzlich war der Himmel diesig, als hätte jemand einen Schleier vor die Sonne gezogen. Nur noch wenige Schritte trennten Nicholas von der Schamanin. Er war der Feyfrau … Jewel … nahe genug, um zu erkennen, ob ihr Gesicht verätzt war.
Ihre Haut war straff und glatt.
Nicholas streckte die freie Hand nach der Frau aus.
Aber sie beugte sich über die Schamanin.
»Es tut mir leid«, murmelte sie und löste sich in Luft auf.
Ein Band, das so hell strahlte wie die Sonne, hatte sich zwischen der Schamanin und der Frau gebildet. Das Ende der Frau verschwand gleichzeitig mit ihr selbst, aber das Band blieb. Es sah aus, als ergösse sich das innerste Wesen der Schamanin ins Nichts.
Die Schamanin fiel auf die Knie.
Nicholas stürzte vor. Mit einer Hand verhinderte er, daß Arianna von seiner Schulter glitt. Mit der anderen half er der Schamanin, sich flach auf den Boden zu legen. Er versuchte, das Band zu fassen, aber es war nicht mehr zu sehen.
»Was kann ich tun?« fragte er.
Die Schamanin schüttelte schwach den Kopf. »Ich habe dir ja angekündigt, daß es dir nicht gefallen würde«, stieß sie hervor.
»Hast du das etwa absichtlich getan?« fragte Nicholas.
Die Schamanin lächelte.
»Wir müssen Hilfe holen.«
»Mir kann niemand mehr helfen, Nicholas. Ich sterbe.«
»Du darfst nicht sterben«, rief Nicholas aus. »Ich brauche dich.«
Dann erst merkte er, wie schrecklich das klang. Wie selbstsüchtig. Sie war es schließlich, die im Sterben lag.
»Es muß Hilfe geben. Es muß.«
»Nein, Nicholas«, erwiderte die alte Frau.
»Aber Arianna …«
»Vielleicht dein Sohn«, hauchte die Schamanin. Ihre Stimme erstarb. Sie hatte kaum noch genug Kraft, die Lippen zu bewegen.
Er durfte sie jetzt nicht verlieren. Sie war seine Helferin, sein Rettungsanker, sein Schlüssel zur Welt der Fey. »Es tut mir leid«, sagte er. »Es tut mir leid, daß ich vorhin wegen Arianna böse auf dich geworden bin.«
»Ich hatte mir schon gedacht, daß du böse werden würdest«, sagte die Schamanin und nahm seine Hand. Ihre Finger drückten die seinen erstaunlich kräftig.
»Wußtest du es denn?« fragte Nicholas verwundert. »Das mit Matthias?«
»Ja«, flüsterte die Schamanin.
»Er hat meine Frau umgebracht. Er ist mit schuld an diesem Krieg. Du wußtest, wer er ist, und hast ihm trotzdem das Leben gerettet?«
»Ich weiß, wer er ist«, gab sie zurück, »aber du weißt es nicht.«
»Doch«, widersprach Nicholas. »Er ist es nicht wert, daß du ihm dein Leben opferst.«
»Er ist mein Leben wert und noch ein Dutzend andere dazu«, widersprach die Schamanin. »Ich bin nicht wichtig für die Zukunft der Fey. Aber Matthias kann dem Kampf von Schwarzem Blut gegen Schwarzes Blut Einhalt gebieten.«
»Matthias?« wiederholte Nicholas ungläubig. »Der ist doch nur ein erbärmlicher,
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