Fey 08: Im Zeichen der Schwerter
haßerfüllter Mann.«
Wieder schüttelte die Schamanin den Kopf. Ihre Lippen färbten sich blau. Ihr Gesicht war totenbleich. Sie schien Blut zu verlieren, aber Nicholas konnte keine Wunde entdecken.
Mit letzter Kraft zog sie ihn näher zu sich heran. »Matthias ist wichtig, Nicholas. Denk daran. Du darfst es nie vergessen. Er ist euer Gott.«
»Was?« fragte Nicholas, der glaubte, sich verhört zu haben.
»Euer Gott«, flüsterte die alte Frau. »Matthias ist euer Gott.«
Damit ließ sie ihn los und hob die Hand an sein Gesicht. Sie strich ihm das Haar aus der Stirn und streichelte flüchtig seine Wange.
»Ich habe dich geliebt«, hauchte sie. »Vielleicht zu sehr …«
Dann sank ihre Hand herab. Sie lächelte ihn immer noch an, und es dauerte einen Augenblick, ehe er merkte, daß sie tot war.
Mit der freien Hand bettete er ihren Kopf in seinen Schoß. Seine Weisheit, seine Stärke, der einzige Mensch, der seit dem Tag seiner Hochzeit mit Jewel immer für ihn dagewesen war. Die Schamanin war schrecklich mager, und ihr Körper wurde schon kalt.
»Nein«, flüsterte Nicholas. »Nicht auch noch du. Ich schaffe es nicht. Ich schaffe es nicht allein.«
Er vergrub sein Gesicht im weißen, strohigen Haar der alten Frau und wiegte sich vor und zurück, während er seine bewußtlose Tochter und die Leiche seiner letzten – und treuesten – Freundin an sich drückte.
DER WIDERSTAND
35
Erst als Denl ihn absetzte, kam Matthias wieder zu sich. Sie hatten das Lager erreicht, den Ort, an dem der junge Coulter Feuerbälle geworfen hatte. Denl ließ Matthias auf den kühlen Boden gleiten, und Matthias’ Hand streifte einen Felsen.
Der Felsen war zugleich warm und kalt, als speichere er die Erinnerung an die Feuer der vergangenen Nacht.
Matthias hatte selbst keine Ahnung, woher er plötzlich wußte, was der Felsen dachte, aber es war die Verblüffung darüber, die ihn endgültig wieder zu sich brachte.
Er war nicht tot.
Er hatte den Angriff überlebt.
Jewel.
Er hob eine Hand an die Kehle. Jewel hatte ihn angegriffen.
Jewel.
Sie war tot. Matthias wußte genau, daß sie tot war. Er hatte sie selbst sterben sehen. Er hatte zugeschaut, wie das Weihwasser in ihr Gehirn sickerte.
Er hatte sie umgebracht.
Dennoch hatte sie vor wenigen Minuten versucht, ihn zu erwürgen. Aber dann war etwas geschehen, Denl hatte ihn fortgebracht, und er war in diesem Lager wieder aufgewacht.
Mit schmerzender Kehle, brennenden Lungen und den schlimmsten Kopfschmerzen seines Lebens.
Aber lebendig.
Er war trotz allem noch am Leben.
»Heiliger Herr«, sagte Denl und schielte auf ihn herunter. »Alles in Ordnung?«
Matthias zwang sich zu lächeln. Überraschenderweise schmerzten die Wunden in seinem Gesicht dabei weniger als vorher. Das lag sicher an den noch stärkeren Schmerzen in seinem Hals.
»Mir geht’s gut«, gab er zurück. Seine Stimme war nur ein rauhes Krächzen, aber immer noch seine eigene. Er streckte Denl eine Hand entgegen. »Hilf mir aufstehen.«
Denl ergriff die Hand und zog Matthias auf die Füße. Matthias schwankte ein wenig und hielt sich an einer Steinsäule fest.
»Tut mir ehrlich leid, Heiliger Herr«, entschuldigte sich Denl, »aber ich glaub nich’, daß wir Zeit ham, uns hier auszuruhn. Ich hab dich getragen. Tri wollt grade …«
Matthias konnte sich nicht vorstellen, wie der kleine Denl ihn den Berg hinuntergeschleppt hatte. »Ist schon gut«, beschwichtigte Matthias. »Wir können weitergehen.«
»Verzeihung, Herr, aber vielleicht kriegst du ja wieder ’n Anfall«, gab Denl zu bedenken.
Matthias hob den Kopf. »Du glaubst, ich hatte einen Anfall?« fragte er.
»Aye, Herr. Was hätt es sonst sein soll’n?«
»Andererseits ist dein Hals voller Fingerabdrücke«, mischte sich Tri ein.
Matthias betastete vorsichtig seine Kehle. Sie war geschwollen und schmerzte bei jeder Berührung. Offenbar hatten die drei Männer Jewel nicht gesehen. Sie hatten keine Ahnung, wer ihn angegriffen hatte. War Jewel ein Geist?
Oder die Hand Gottes, wie Pausho behauptete?
Oder noch etwas anderes? Etwas, das die Fey in der Höhle auf ihn gehetzt hatten?
Etwas, das der brennende Junge erschaffen hatte?
»Es war kein Anfall«, sagte Matthias. »Es war Feymagie. Wir sind ihnen zu nahe gekommen.«
Er wollte sich nach dem Berg umdrehen, aber es tat zu weh, den Kopf zu bewegen. Ein heftiger Schmerz schoß ihm durch die Wirbelsäule direkt in den Schädel.
»Aber warum sollte dann ausgerechnet
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