Fey 09: Die roten Klippen
Haut vom Blutverlust bereits grau zu werden begann. Luke stach ihr das Messer ins Bein, und sein Arm zitterte, als er Muskeln und Knochen traf. Sie führte das Schwert nach unten, und Luke rollte auf den Fey, der ihn eben zu Fall gebracht hatte. Er hatte kein Messer mehr.
Wieder ertönte der Schrei eines Fey, und Luke hörte, wie Klingen klirrend aufeinanderstießen. Das metallene Geräusch hallte weithin. Der Boden war blutgetränkt. Der erste Fey war tot. Der Griff des zweiten Fey um Lukes Knöchel lockerte sich. Luke betastete den Körper des ersten Fey und stöhnte leise auf, als er die weiche, blutüberströmte Haut berührte. Schließlich fand er ein Schwert. Er stieß den zweiten Fey, dessen Augen gebrochen waren, mit dem Fuß beiseite und erhob sich. Keuchend beobachtete ihn die Frau. Als er aufstand, hob sie ihr Schwert, holte zum Schlag aus und fiel dann plötzlich rücklings auf den Boden.
Die Blutung an ihrem Armstumpf hatte beinahe aufgehört.
Sie war verblutet.
Ein weiterer Fey lag mit durchschnittener Kehle auf der Erde. Drei andere krümmten sich leblos zu Füßen des Jungen.
Sieben.
In nur wenigen Augenblicken hatte dieser Junge sieben Fey getötet.
Er war über und über mit Blut besudelt. Nur durch seine Größe war er noch als Inselbewohner zu erkennen. Von seiner Gestalt tropfte Blut auf den Mais.
»Sind noch mehr da?« fragte er.
»Noch nicht«, antwortete Luke. »Aber ich habe ziemlich deutliche Spuren hinterlassen. Sobald sie nicht mehr mit dem Feuer beschäftigt sind, nehmen sie garantiert die Suche nach mir auf. Dann finden sie auch das hier.«
Luke blickte auf das Schlachtfeld. Keine Möglichkeit, es zu säubern und die Leichen wegzuschaffen. Sein Anschlag war erfolgreich gewesen. Aber er würde einen hohen Preis dafür zahlen.
»Dann müssen wir von hier verschwinden«, sagte der Junge.
Luke nickte. Aber wohin sollten sie gehen? Seit seiner Geburt war dieser Hof sein Zuhause gewesen. Es gab keinen anderen Ort, wohin er hätte gehen können. Vielleicht kehrte sein Vater wieder hierher zurück. Oder Coulter, oder Fledderer.
Irgendwann mußten sie einfach zurückkommen.
Luke hatte sich vorgenommen, auf sie zu warten.
»Wo hast du das gelernt?« fragte Luke den Jungen.
Con schüttelte den Kopf. »Ich habe gar nichts gelernt. Es liegt an dem Schwert. Ich habe es im Palast gefunden. Als ich zum ersten Mal damit kämpfte, habe ich auf kleinstem Raum noch viel mehr Fey damit getötet.«
Gegen Ende der kurzen Rede brach die Stimme des Jungen. Offenbar litt er unter dem Gemetzel.
»Du hast mir das Leben gerettet.«
»Ich weiß«, antwortete der Junge. Er schluckte, wischte sich mit dem blutgetränkten Ärmel über das blutige Gesicht und schüttelte dann den Kopf. »Ich weiß.«
Luke ließ den Blick über das Feld wandern. Das Feuer schien noch höher zu brennen. Im Maisfeld war kein Laut zu hören.
»Uns bleibt ein kurzer Augenblick zum Verschnaufen«, sagte Luke. »Wir müssen uns waschen. Dann entscheiden wir, wie es weitergeht.«
»Da gibt’s nicht viel zu entscheiden«, erwiderte der Junge. »Ich bin gekommen, um dich zu holen. Sebastian hat mich geschickt.«
»Das hast du schon einmal gesagt. Aber ich habe den Sohn des Königs noch nie getroffen.«
»Er hat gesagt, du seist ein Freund.«
Luke schüttelte den Kopf. »Ich bin seinem Vater einmal begegnet. Er war ein guter Mann, trotz seiner seltsamen Heiratsbräuche.«
Wieder wischte sich der Junge über das Gesicht. »Du kennst Sebastian gar nicht?«
Das entsprach nicht ganz der Wahrheit. Er kannte den wahren Prinzen der Blauen Insel. Luke kannte Gabe. Aber dieses Eingeständnis hätte es erforderlich gemacht, dem Jungen, den Luke trotz seiner Heldentaten eigentlich noch gar nicht kennengelernt hatte, die ganze verzwickte Lage zu erklären.
»Bist du sicher, daß er dich hierhergeschickt hat?«
»Und ob.« Der Junge zitterte plötzlich am ganzen Leib. Er sah aus, als würde er jeden Moment ohnmächtig. »Ich habe mich genau an Sebastians Anweisungen gehalten. Er hat mir diesen Ort beschrieben, mit dem Maisfeld und allem anderen. Er hat gesagt, er sei vor zwei Wochen hier gewesen.«
»Er war noch nie …« Abrupt hielt Luke inne. Gabe war vor zwei Wochen hier gewesen. Er war böse auf Coulter geworden, weil dieser eine »Verbindung« unterbrochen hatte. Eine Verbindung mit Sebastian? Damals hatte Luke die Einzelheiten nicht verstanden, aber jetzt beschlich ihn eine dunkle Ahnung davon. »Warum hat er dich zu mir
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