Fey 09: Die roten Klippen
ihm.
Als sie die Treppe erreicht hatten, sahen sie die beiden Fey weiter unten. Obwohl sie sich so rasch zurückgezogen hatten, gingen sie sehr langsam. Der große dürre Fey schien Schwierigkeiten zu haben, sich auf den Beinen zu halten.
»Los, wir gehen ihnen nach«, flüsterte Fledderer.
Adrian hielt ihn einen Augenblick zurück. Er konnte keine weiteren Fey entdecken, zumindest nicht in ihrer Nähe. Als er jedoch mit aufmerksamen Blicken den Talboden absuchte, fing sein ohnehin heftig schlagendes Herz zu rasen an.
Dort unten marschierten Fey auf einer Straße, die aus einem tiefer gelegenen Tal heraufführte, fädelten sich durch den Paß, der den Zugang zur noch tiefer gelegenen Stadt markierte, und formierten sich auf der Hügelkette vor den Toren dieser Stadt. Auf ihren Schwertern glitzerte die Morgensonne. Hunderte, wenn nicht Tausende Fey mußten sich auf den Hügeln versammelt haben, und es kamen immer noch mehr hinzu.
Adrian zog Fledderer am Ärmel und zeigte hinunter. Fledderers Blick folgte dem seinen.
»Bei allen Mächten!« flüsterte er, und zum ersten Mal seit langer, langer Zeit vernahm Adrian so etwas wie Furcht in seiner Stimme.
»Eigentlich sollte man annehmen, daß sie zuerst hier heraufkommen«, flüsterte Adrian.
Fledderer schüttelte den Kopf. »So geht Rugad nicht vor. Er glaubt, daß sich die Inselbewohner um Nicholas scharen, deshalb will er zuerst Nicholas’ Reserve vernichten, bevor er sich den Hauptpreis holt.«
Fledderers Erklärung klang vernünftig. Adrian spürte, wie es ihm eiskalt über den Rücken lief, ein Schauder, der nichts mit der kühlen Morgenluft zu tun hatte. »Wir müssen ihn unbedingt warnen.«
»Wir können nichts dagegen tun«, flüsterte Fledderer und sah wieder auf die Stufen. »Komisch, daß sie nicht bei Boteen sind. Glaubst du, er ist ebenso angeschlagen wie Coulter?«
Adrian schüttelte sich. »Jewel meinte, jeder Zaubermeister würde es spüren.«
»Gut«, brummte Fledderer, legte die Hand auf den Schwertknauf und wollte die Stufen hinuntergehen.
Adrians Hand schoß vor und erwischte ihn gerade noch am Wams. »Was hast du vor?«
»Das ist vielleicht unsere einzige Chance, einen Zaubermeister zu töten«, sagte Fledderer, entwand sich Adrians Griff und marschierte weiter.
»Du weißt nicht, was dich dort unten erwartet«, sagte Adrian.
»Das ist ja gerade der Witz daran!« Fledderers geflüsterte Antwort war kaum zu verstehen.
Zwar hatte sie niemand dazu ermächtigt, aber Fledderer hatte recht. Ein ausgebildeter Zaubermeister der Fey verfügte über weitaus größere Zauberkräfte als Coulter – und über die Fähigkeit, sie auch einzusetzen. Die Chance, einen solchen Mann in einer geschwächten Verfassung anzutreffen, war gleich null.
Es gab insgesamt nur drei Zaubermeister auf der ganzen Insel, hatte Jewel gesagt. Coulter, den Einundfünfzigsten Rocaan und diesen Fey, der sich dort mühsam den Berghang hinunterquälte. Wenn sie diesen Mann töteten, verschafften sie sich einen Vorteil gegenüber dem Schwarzen König.
Adrian holte tief Luft. Das waren die Entscheidungen, die er zu treffen hatte: sein Leben gegen die Zukunft der Insel. Doch das war keine Wahl. Zuallererst kamen die Zukunft der Insel, die Zukunft seines Sohnes, seiner Familie und seiner Freunde.
Also machte sich auch Adrian auf den Weg die Stufen hinab, in der Hoffnung, daß es ihm und Fledderer gelang, den Zaubermeister der Fey zu überrumpeln.
21
Boteen war erschöpft, und ihm war schwindlig. Nachdem er die letzten paar Stufen hinabgestolpert war, fand er Threem bereits wieder in seine Pferdegestalt verwandelt vor.
Threem warf den Pferdekopf zurück. »Ich glaube, ich habe dort oben Stimmen gehört«, sagte er. »Wir müssen uns beeilen.«
Boteen schüttelte den Kopf. »Ich kann kaum mehr stehen, schon gar nicht auf deinen Rücken steigen.«
»Daran habe ich bereits gedacht. Stell dich auf diesen Stein und nimm meine Hand, dann zieh ich dich auf meinen Rücken.«
Boteen gefiel der Vorschlag überhaupt nicht, aber ihm fiel nichts Besseres ein. Also ging er zu dem Stein, den Threem ausgesucht hatte. Er war halb so groß wie er und oben abgeflacht. Boteen wußte nicht, ob er noch genug Kraft hatte, hinaufzusteigen.
Mißtrauisch blickte er zu den Stufen hinüber. Auch er hatte etwas gespürt, vermischt mit der Verlockung der Höhle. Aber es war die Anwesenheit eines Zaubermeisters gewesen.
»Boteen«, drängte Threem.
Boteen nickte, legte die Hand auf den
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