Fey 09: Die roten Klippen
Stein und zog sich hoch. Threem beugte sich zu ihm hinüber und packte Boteen am Handgelenk.
»Warte«, sagte Boteen, der spürte, daß er das Gleichgewicht verlor. Das Schwindelgefühl war jetzt wieder voll da. Er wußte nicht einmal, ob er sich, falls er stürzte, irgendwie abfangen konnte.
Er bekam die Füße noch einmal unter Kontrolle, während Threem sich so dicht wie möglich an den Felsen drängte. Dann zog ihn Threem herüber, und Boteen machte einen Schritt nach vorne.
Um ein Haar hätte er ihn verfehlt, landete hart auf dem Rücken des Pferdes und wäre beinahe auf der anderen Seite wieder heruntergerutscht. Threem grunzte wie unter Schmerzen auf und stieß einen leisen Fluch aus. Boteen hielt sich mit seiner freien Hand an Threem fest, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen.
»Beinahe hättest du uns beide umgeworfen«, sagte Threem.
Boteen, dem so schwindlig war, daß er kaum einen klaren Gedanken fassen konnte, murmelte: »Worüber beschwerst du dich? Du kannst schließlich nicht herunterfallen.«
»Da hast du recht«, antwortete Threem. »Wenn du zu heftig herumschaukelst, kippe ich einfach nur um.«
Die Vorstellung, wie sie beide den steilen Hang hinabkollerten, war wenig verheißungsvoll, schon gar nicht, wenn Boteen sich vorstellte, unter dem schweren Pferdekörper begraben zu werden.
Er lehnte den Kopf an Threems Rücken. »Reite einfach weiter«, sagte er.
»Gut festhalten«, erwiderte Threem. »Runter ist es schwieriger als rauf.«
Genauso war es. Threem suchte sich seinen Weg auf dem schmalen Pfad, wobei er sich nach hinten gegen den Hang stemmte und mit beiden Köpfen auf alle vier Hufe konzentrierte.
Einmal rutschte der Pfad weg, und Threem mit ihm, und nur mit Hilfe einer großen Portion Glück und seiner geistesgegenwärtigen Reaktion gelang es ihm, sich an einer Reihe fest im Boden verankerter Felsbrocken wieder zu fangen.
Ein echtes Pferd wäre abgestürzt.
Ein echtes Pferd hätte sich auch nie auf eine solche Kletterpartie begeben.
Boteen hielt eine Zeitlang die Augen geschlossen, doch das schien sein Schwindelgefühl nur noch zu steigern. Als er sie wieder öffnete und über das Tal und den Fluß tief unter ihnen blickte, stellte er fest, daß er an Höhenangst litt, was ihm noch nie zuvor aufgefallen war.
Er versuchte sich auf die hin und her marschierenden Armeen dort unten zu konzentrieren – genau das hatte Rugad gewollt –, aber es wurde nicht besser. Sein Magen fühlte sich flau an, seine Magie erschöpft, und sein Kopfschmerz wurde schlimmer.
»Hast du gesehen, was das war?« fragte Threem.
»Hm?« Threems Stimme schien aus einem endlosen Tunnel zu kommen.
»Hinter uns«, sagte Threem. »Hast du nichts gehört?«
»Nein«, antwortete Boteen, wandte aber trotzdem den Kopf um. Es nahm eine schemenhafte Bewegung auf dem Pfad wahr, konnte aber nicht sagen, ob sie von den Steinen herrührte, die sie selbst locker getreten hatten, oder von jemandem, der ihnen folgte.
»Siehst du jemanden?« erkundigte sich Threem.
»Nein«, sagte Boteen, hielt aber weiter Ausschau. Die Steine kollerten ein Stück weiter und blieben dann liegen. Dann bog Threem um eine Kurve, und Boteen konnte sie nicht mehr sehen.
Kurz darauf hatten sie das kleine Lager erreicht, in dem er die Möwenreiterin und den Schreiber zurückgelassen hatte. Bei Tageslicht betrachtet, sah der Ort noch schlimmer aus. Die gesamte Vegetation war weggebrannt, auch mehrere Felsbrocken wiesen Brandspuren auf. Der Geruch hing immer noch beißend in der Luft.
Die Möwenreiterin saß in ihrer Möwengestalt auf einem Steinbrocken und verfolgte Boteens und Threems Nahen. Der Schreiber lag schlafend unter den Säulen, die das Behelfslager bildeten. Boteen sah ihn nur, weil er wußte, wonach er suchte.
»Weck ihn auf. Wir gehen sofort ins Tal hinunter«, sagte Threem zur Möwenreiterin und drehte den Kopf dann zu Boteen um. »Es sei denn, du hältst es für notwendig, daß wir noch einmal zurückgehen.«
Boteen hätte das gern getan. Sehr gern sogar. Aber er wußte, daß es nicht sehr klug gewesen wäre. Nicht ohne Rugad. Oder zumindest in Begleitung einer größeren Streitmacht.
»Nein«, erwiderte er. »Jetzt geht es erst einmal wieder hinunter.«
Die Möwenreiterin kam von ihrem Aussichtspunkt geflogen, landete neben dem Kopf des Schreibers und pickte ihn vorsichtig mit dem Schnabel. Der stieß einen Angstschrei aus und schreckte wie ein geschlagenes Kind auf. Die Möwenreiterin lehnte sich nach hinten und
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