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Fey 10: Das Seelenglas

Fey 10: Das Seelenglas

Titel: Fey 10: Das Seelenglas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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einen der Glasarme und tauchte ihn in das Blut. Rosafarbene Linien überzogen das Glas, so wie zuvor, nur hielt er diesmal schützend den Arm vors Gesicht.
    Das Glas zersprang, und seine Frau wehte heraus, wobei sie sofort anfing, ihn wütend anzuschreien.
    Ihre Augen wurden nicht glasig und wanderten auch nicht in Richtung des Brunnens. Nicholas hatte lange genug gewartet. Matthias war längst entkommen.
    Sie formte sich aus dem Nebel in einen festen Körper um, und noch während dieses Prozesses nahm er sie an den Schultern, zog sie an sich und verschloß ihren Mund mit einem Kuß.
    Ohne sich zu überlegen, daß sie eigentlich wütend auf ihn war, ergab sie sich seinem Kuß. Er kannte sie nur zu gut, um diese Reaktion nicht vorausgeahnt zu haben, und legte ihr dann einen Finger auf die Lippen.
    »Wir haben gewonnen«, sagte er. Sie lächelte. Er konnte ihr Lächeln ebenso spüren wie sehen, ihre Erleichterung spüren, als wäre sie greifbar. »Wir haben gewonnen.«

 
     
     
DIE RESTAURATION
     
(Eine Woche später)

 
49
     
     
    Matthias klopfte die Erde fest, dann legte er die Schaufel beiseite und warf Marly einen Blick zu. Sie lehnte an einem Baum, den Oberkörper im Schatten und die Beine in der Nachmittagssonne. Dunkle Ringe lagen unter ihren Augen.
    Sie hätte nicht herkommen sollen, aber sie hatte darauf bestanden. Als sie Jakibs Leiche endlich gefunden hatten, war sie in einem schrecklichen Zustand gewesen; fast das ganze Fleisch war weg und das, was übrig war, schon in Verwesung übergegangen. Matthias hatte ihn mit Mühe an seiner Kleidung identifizieren können – und an seinen Augen, die erstaunlicherweise noch da waren.
    Marly hatte nicht geweint, als sie die Nachricht hörte. Sie hatte es bereits gewußt. Matthias hatte es ihr berichtet, nachdem er aus der Höhle zurückgekommen war. Sonst hatte er ihr nicht viel erzählt, nur daß der Schwarze König tot und der Krieg vorüber war. Auch das schien sie bereits zu wissen. Der Nebel, der sie beschützt hatte, war mit einem Mal am Abend jenes schrecklichen Tages verflogen, und alle Ratten-Fey und Vogel-Fey und Soldaten-Fey waren aus den Straßen von Constantia verschwunden.
    Marly hatte nicht viel Zeit gehabt, länger über die merkwürdige Veränderung nachzudenken. Nach und nach trafen immer mehr Klippenbewohner mit ihren Verwundeten und Sterbenden ein und flehten sie an, ihnen zu helfen. Einige hatte sie noch retten können; nicht so viele, wie sie gehofft hatte, aber immerhin einige.
    Matthias fand sie am Abend des darauffolgenden Tages. Beide hatten seit Ewigkeiten nicht geschlafen. Er arbeitete noch zwei Tage an ihrer Seite, bis sie beide zusammenbrachen.
    Dann ging er hinaus, um ihren Bruder zwischen den Toten zu suchen.
    Sie begruben Jakib auf einem kleinen Fleckchen Erde hinter Matthias’ Haus. Jakib hatte nie ein Zuhause gehabt, sich nie einem Ort verbunden gefühlt, außer vielleicht der Stadt Jahn selbst. Marly wollte ihn bei sich haben, und Matthias hatte ihrem Wunsch entsprochen.
    Sie sah ihn immer noch an. Es machte ihm Sorgen, daß sie nicht geweint hatte. Sie hatte wegen überhaupt nichts geweint. Sie hatte nicht geweint, als sie Denis Bein amputieren mußte, nicht, als sie Tris gräßlich entstellte Haut flickte, und auch nicht, als sie all die vielen Verwundeten versorgte, und sie hatte auch nicht bei Matthias’ Rückkehr geweint.
    Nur einmal hatte er Tränen schimmern sehen – als er ihr erzählte, daß die Fey geschlagen seien, und das hatte sie erst geglaubt, als sie sah, wie sie sich zurückzogen.
    Die Fey waren aus Constantia verschwunden. Auch die Täler und Berge ringsum hatten sie verlassen. Irgendwie hatte Nicholas sie dazu gebracht, nach Jahn zurückzumarschieren. Irgendwie hatte er es geschafft, daß sie ihm gehorchten.
    »Wahrscheinlich wegen seiner Kinder«, hatte Marly gesagt, aber nichts mehr hinzugefügt.
    Wahrscheinlich. Deshalb hatte Nicholas gewollt, daß Matthias die Höhle verließ, bevor er den Fey gegenübertrat. Nicholas hatte Matthias’ Haß benutzt, um den Schwarzen König zu töten, sich jedoch davor gehütet, daß sich dieser Haß auch gegen seine Kinder richtete.
    Wer wollte es ihm verdenken? Matthias hatte Nicholas’ Frau ermordet.
    Matthias seufzte und ging zu Marly hinüber, ging neben ihr in die Hocke und nahm ihre Hände. »Ich würde gerne die Begräbniszeremonie durchführen, wenn du es für angemessen hältst.«
    Sie löste ihre linke Hand aus der seinen und strich über die Narben auf

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