Fia die Betoerende
Aufschlägen zerschlissen, aber sein Gesicht war einigermaßen sauber. Wenigstens konnte Fia jede Menge Sommersprossen erkermen, die seine keck nach oben gebogene Nase überzogen.
„Bring die Sachen hoch, Gordie. Lady MacFarlane wird eine Weile bei uns bleiben. Sie bekommt das Eckschlafzimmer.“
„Aye, Mylord. Das hat Tim Gowan schon gesagt, als er mit Jamies Nachricht hier ankam.“ Gordie bückte sich und stemmte sich schnaufend Fias Reisetruhe auf die schmale Schulter, nahm ihre Reisetasche und warf sie sich über die andere. Er drehte sich zu ihr um - dem bis dahin nicht genauer angesehenen Gast seines Lairds - und riss seine Augen auf. Sein Lächeln wurde breiter. Die Bewunderung darin war unmöglich zu übersehen. Vielleicht war Gordie doch nicht so jung, wie sie zunächst gedacht hatte.
„Pass auf, dass du nicht auf deinem Speichel ausrutschst, Gordie“, bemerkte Thomas mit flacher Stimme. Die Wangen des Jungen wurden flammendrot; er drehte sich um und schlurfte mit seiner Last ins Haus.
„Lassen Sie ihn in Ruhe, Fia.“
„Ich habe nicht die Absicht, ihn . . .“
„Ersparen Sie mir Ihr Leugnen. Ich warne Sie, Fia. Der Junge ist eben genau nur das, ein Junge.“
„Wohl kaum. Vermutlich ist er fast so alt wie ich“, versetzte sie scharf, durch seine Verdächtigungen gekränkt.
Thomas schnaubte abfällig. „Lebensjahre haben wenig mit dem Alter zu tun, wenn man von Ihnen spricht, Lady MacFarlane.“
Er hatte Recht, aber das in Worte gefasst zu hören, was sie sich selbst oft genug gedacht hatte, war unerwartet schmerzhaft.
„Ich wollte Ihnen nicht wehtun.“
Sie blickte erstaunt auf. Er war näher getreten. Seine Miene spiegelte tiefe Besorgnis wider.
„Verzeihen Sie mir. Das war unentschuldbar. “
„Aber wahr?“ Sie bemühte sich um ein Lächeln, spürte wie es zitterte und dann verschwand.
Er erwiderte ihren Blick geradeheraus. „Ja.“ Sein Ton klang bedauernd, und das war sogar noch quälender.
„Nun, egal“, sagte sie leichthin, aber als sie sah, dass ihre flapsige Erwiderung das Mitleid nicht aus seinen Zügen vertrieb, wurde ihre Verwirrung stärker als ihr Schmerz. „Sie sind mir ein Rätsel, Thomas McClairen. Sie rauben mich aus meinem Haus, und dann entschuldigen Sie sich - aber nicht für die Entführung, sondern dafür, dass meine Vergangenheit keine Kindheit enthalten hat.“
„Irgendjemand sollte sich dafür aber entschuldigen“, entgegnete er hitzig.
Ihr stockte der Atem. Sein Blick begegnete ihrem, und sie hatte das bestimmte Gefühl, dass er meinte, was er sagte, auch wenn er bedauerte, dass er es ausgesprochen hatte. Sie befeuchtete ihre Lippen mit der Zungenspitze und fühlte sich unbehaglich und unsicher, obwohl ihr beide Gefühle gewöhnlicherweise fremd waren. Er erstaunte sie. Im einen
Augenblick war die Schärfe in seinen Worten so beißend, dass sie sie beinahe schmecken konnte, im nächsten aber beschützte und verteidigte er sie.
Während sie darüber nachdachte und vergeblich versuchte, es zu begreifen, kam er an ihre Seite des Wagens und hob sie einfach und ohne große Umstände von ihrem Sitz. Einen kurzen Moment länger als notwendig hielt er sie in seinen Armen, bevor er sie zu Boden ließ.
„Kommen Sie mit“, sagte er. Ohne auf ihre Antwort zu warten, ging er mit ausholenden Schritten um die Hausecke und die Eingangsstufen empor, und Fia folgte ihm.
Innen hielt das Haus jedoch nicht, was sein gediegenes Äußeres versprach. Nicht dass es nicht gut in Stand gehalten war. Das war es nämlich. Es war nur nicht gerade sauber. Eine dicke Staubschicht bedeckte die paar Möbelstücke in der Eingangshalle, und die Steinfliesen am Boden mussten dringend einmal gewischt werden. Zwischen der Balustrade und dem ersten Geländerpfosten der geschnitzten Treppe spannte sich ein riesiges Spinnennetz, dessen fette Erbauerin in Ruhe an einer Vergrößerung ihres Heimes arbeitete.
„Da sind wir. Es ist. . .“ Thomas' Blick fiel auf ihr Gesicht, und er runzelte die Stirn.
„Hier ist es schmutzig“, sagte Fia anklagend als Antwort auf seine unausgesprochene Frage. „Sie haben mich in ein schmutziges Haus, irgendwo im Nirgendwo verschleppt.“
Das war ganz bestimmt nicht der richtige Ansatzpunkt für einen Neubeginn. Thomas fühlte sich unverzüglich zur Verteidigung seines Besitzes verpflichtet. „Nun, es tut mir wirklich mehr als Leid, dass es nicht irgendein parfümiertes Schlösschen ist, komplett mit einem Bett voller Rosenblüten und
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