Fia die Betoerende
ja. Ja, das haben wir“, log Fia, und ihr Blick glitt zu Thomas, der etwas abseits stand und sie ungewohnt schweigend musterte. „Das haben wir, nicht wahr?“
Warum schaute er sie nur so seltsam an? Sie hatte kein einziges zweideutiges oder herausforderndes Wort zu dem Jungen gesagt, und trotzdem war seine Miene grimmig.
Der Mann sollte wirklich lernen, sich zu entspannen und häufiger zu lachen. Schließlich besaß er ein sehr nettes Lachen. Doch dann erkannte sie die Ironie daran, dass sie, Fia Merrick, einen anderen kritisierte, weil er zu ernsthaft war, und sie musste unwillkürlich lächeln. Da sie ihm zugewandt war, sah es so aus, als lächelte sie ihn an. Er blinzelte, und sein grimmiger Gesichtsausdruck wich Verwunderung.
„Nicht wahr, Mylord?“
„Was?“ fragte er, aus seiner Versunkenheit gerissen. „Ach ja. Natürlich. Wir haben uns gewundert, was du so lange getrieben hast. Na, jetzt wissen wir es ja. Komm, Gordie. Ich bin sicher, Lady MacFarlane würde sich gerne umziehen und sich fürs Dinner fertig machen.“
„Oh! Aye, das möchte ich wetten“, pflichtete Gordie ihm unverzüglich bei und erinnerte sie auf seine ungeschickte Art daran, wie schmutzig sie sein musste und wie unangenehm sie zweifellos roch.
Sie sah an sich herab. Die Spitze an dem züchtigen kleinen Ausschnitt ihres Reisekleides war grau, und ein Schmutzstreifen zierte die Haut über ihrem Busen. Ihre einst gestärkten Röcke hingen wie schlaffe Lumpen über dem Gestell des Reifrocks. Ihre Unterröcke waren ebenfalls mit Flecken übersät, deren Herkunft sie lieber nicht genauer untersuchen wollte. Was ihr Gesicht und ihr Haar anging . . . Sie war wirklich froh, dass sie nicht in den Spiegel auf dem Frisiertisch geschaut hatte.
„Ich möchte gerne baden. Wie kann ich zu einem Bad kommen?“ fragte sie.
„Ein Hüftbad?“ wiederholte Gordie verunsichert, was Fia in ihrer Annahme bestärkte, dass der Junge nur über beschränkte persönliche Erfahrung mit Bädern verfügte - seien es nun Hüftbäder oder andere.
„Füll den großen Kessel neben dem Herd in der Küche mit
Wasser und erhitze es“, erklärte Thomas Gordie. „Sobald es heiß ist, schaffst du es hier herauf in Myladys Zimmer.“
„Und was mache ich dann damit?“ wollte Gordie wissen.
Thomas seufzte ungeduldig. „Ich werde das Regenfass im Garten ausleeren und hier hoch bringen. Da hinein kannst du dann das Wasser füllen.“
„Sie erwarten von mir, dass ich in einem Fass bade?“ erkundigte sich Fia ungläubig.
Er drehte sich zu ihr um. „Es ist mir völlig gleichgültig, ob Sie nun baden oder nicht. Ein Bad im Fass ist nun einmal das Beste und Einzige, was Sie in meinem Haus bekommen können, meine Dame, und Sie sollten vielleicht erwägen, ein wenig mehr Dankbarkeit dafür zu zeigen.“ In seiner Verärgerung war seine Sprache wieder stärker mit schottischen Ausdrücken durchsetzt.
Sie erwiderte seinen Blick gelassen, ein wenig nachdenklich. „Was, glauben Sie, ist der Grund dafür, dass Sie seit unserer Ankunft hier immer mehr in diesen bemerkenswerten Dialekt verfallen? Es ist nicht richtig Schottisch, wirklich nicht. Eher ein Mischmasch verschiedener Dialekte. Wohin wurden Sie eigentlich deportiert? In die amerikanischen Kolonien?“
„Ich . . .ich weiß nicht, was Sie meinen“, erklärte er knapp, dieses Mal in deutlichem, reinstem Britisch. Er schaute zu Gordie, der hinter seiner Hand kicherte. „Nun mach schon!“
Der junge Bursche senkte den Kopf und eilte durch die offen stehende Tür, den Flur hinab in die Halle, Fia mit Thomas allein lassend.
„Nun?“ sagte sie, spöttisch eine Braue hebend. „Worauf warten Sie?“
Wortlos, aber entschlossenen Schrittes verließ er den Raum.
„Ich hole das verfluchte Regenfass. Du schürst das Feuer.“ Thomas trat in die Dämmerung hinaus und bog um die Hausecke. Er fand das Fass und kippte das wenige Wasser aus, das sich darin gesammelt hatte, bevor er sich die Holztonne auf seine Schulter stemmte. Während er das tat, ließ er seinen Blick über die Rückseite des Hause nach oben wandern. In dem Eckzimmer flammte ein Licht auf. Einen Augenblick später wurde eine zierliche Silhouette größer und größer, als Fia ans Fenster trat. Sie beugte sich vor, und Thomas wusste, dass sie an den Himmelsschlüsselchen roch.
Die letzten Reste seines Ärgers schwanden, während er sie beobachtete - Ärger nicht auf Gordie oder Fia, sondern auf Carr wegen seiner absichtlichen Vernachlässigung
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