Fida (German Edition)
Strafe dort unten ein. Alternativ dazu bot er ihm an, ihm kurz und schmerzvoll den Hintern zu versohlen. Er ließ Tom aussuchen, welche Strafe er erhalten wollte, die schmerzhafte oder die längere. Tom wählte im Regelfall den Keller. Dort sollte er darüber nachdenken, was er falsch gemacht hatte. Normalerweise öffnete sich die Tür nach nicht allzu langer Zeit wieder. Selten dauerte der Aufenthalt länger als eine Stunde. Und wenn er sich dann für sein Verhalten entschuldigte und versprach, sich in Zukunft mehr Mühe zu geben, dann durfte er wieder nach oben.
In Wahrheit stellte der Keller für Tom überhaupt keine Strafe dar. Seine Zeit dort unten verbrachte er damit, Weberknechte und Spinnen zu fangen, um ihnen die Beine auszureißen und Kellerasseln auf kleine Stöckchen zu spießen. Kellerschaschlik nannte er das. Einmal schmuggelte er einen Spieß nach draußen, den ein neu hinzugezogener Junge dann abnagen musste.
„Hör mal, das ist meine Bande! Entweder du isst jetzt das Kellerschaschlik, oder du kannst gleich wieder abhauen. Dann darfst du eben nicht mitmachen!“, setzte er den Neuankömmling unter Druck. In seiner Clique, die aus den meisten Jungs ihrer Nachbarschaft bestand, hatte Tom das absolute Sagen.
„Augen zu und durch!“, höhnte er.
Der Neue war kurz davor loszuheulen, sah sich fassungslos in der Runde um, auf der Suche nach wenigstens Einem, der seinen Blick erwiderte und ihm zur Seite stand. Tom war nicht größer oder kräftiger, als seine Freunde, doch er war hemmungsloser, brutaler und bereit, seinen Willen durchzusetzen, indem er sie manipulierte. Einerseits grob, durch Gewalt, doch auch auf eine weitere, fast noch effektivere Weise: Dadurch, dass er ihnen die Wahl ließ, auf welcher Seite sie sich befanden. Auf der feindlichen, oder wollten sie lieber hinter ihm stehen?
Gegen Tom wollte sich kaum einer stellen.
Der Einzige, der nicht sofort weg oder betreten zu Boden schaute, war ein drahtiger, schmächtiger Junge. Hoffnungsvoll heftete der Blick des Neuen sich gerade an ihm fest. Doch statt des erhofften Beistands bekam er nur einen guten Rat: „Mach’s einfach. Tom wird dich sowieso dazu zwingen, das Schaschlik zu essen. Wenn du’s nicht freiwillig machst, lässt er dich nicht mitmachen. Ist bestimmt nicht so schlimm. Ich musste eine Nacktschnecke essen!“
Dann sahen sie zu, wie der Neue den Spieß abnagte und sich danach in die Büsche übergab.
Tom war schon zwölf, seine sadistischen Neigungen schon deutlich vorhanden, als der Alte ihn dabei erwischte, wie er die Katze seines Nachbarn im Schuppen neben dem Haus quälte. Tom hatte das Vieh in einen Sack gesteckt und das qualvoll miauende Tier mit einem spitzen Stock gepiekt. An einer Stelle quoll schon ein wenig Blut raus und er fand es klasse, den tanzenden Sack zu beobachten, in dem das dumme Vieh panische aber vergebliche Fluchtversuche unternahm. Es hatte ihn interessiert, wie lange es dauern würde, bis die Katze die Ausweglosigkeit der Situation erkannte und sich in ihr Schicksal fügte. Leider konnte er sein Experiment nicht zu Ende führen. Zehn Minuten, in denen er wirklich Spaß und obendrein die erste Erektion seines Lebens hatte, waren dafür nicht ausreichend. Sein Vater erwischte ihn und prügelte ihn förmlich ins Haus zurück. Drinnen sperrte er Tom in den Keller, wo er ihn diesmal stundenlang im Dunkeln schmoren ließ. Als er wiederkam war der Alte stockbesoffen - und dann setzte er die Zigarettenspitze ein.
„Na, gefällt dir das?“, hatte der Alte ihn grinsend gefragt, während er ihn am Nacken festhielt und die heiße Glut so lange auf seine schutzlose Haut drückte, bis ihm ein gellender Schmerzensschrei entfuhr. Die Antwort war: Ja, so etwas gefiel ihm. Er hatte nur keine Lust darauf, sich in so einem Szenario in der Opferrolle zu befinden. Doch Tom biss die Zähne zusammen, anstatt dem Alten seine wahren Gefühle entgegen zu schreien.
Am nächsten Tag hatte sein Vater sich bei ihm entschuldigt. Er schämte sich in Grund und Boden dafür, dass er so die Beherrschung verloren hatte. Danach hatte Tom das Gefühl, der Alte würde ihn mit anderen Augen ansehen als zuvor. Angeekelt, obwohl oder vielleicht gerade weil er doch selbst kein Haar besser war, wie er unten im Keller bewiesen hatte. Und auch irgendwie ängstlich, als könne er nun etwas in dem Jungen entdecken, das gefährlich war, abartig und böse. Etwas wovor man sich hüten sollte.
Bis zu dem Tag mit der Katze hatte ihn der Alte nie
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