FIDER (German Edition)
leicht an. »Aber wenn ich das hier durchgelesen habe, dann werde ich mit Sicherheit eine Reihe Fr agen haben.«
Vieth lächelt unverbindlich. »Hoffentlich nicht. Das würde nämlich bedeuten, unser Informationsmaterial tauge nichts. Aber falls Sie etwas wissen möchten, dann sprechen Sie einfach Hauptmann Glowna oder Leutnant Pojda an. Die Herren werden dan n Kontakt zu uns herstellen. Möchten Sie sonst noch etwas anmerken? Vielleicht für die Kamera?«
Petursson überlegt einen Moment und schüttelt dann seinen Kopf.
»Dann wegtreten«, sagt Glowna und bringt seinen Stuhl erneut zum Schreien.
Petursson tauscht noc h einen kurzen Blick mit Vieth. Dann klemmt er sich die Aktenmappe unter den linken Arm, macht Kehrt und marschiert durch die Tür nach draußen.
Szene 4: Outtake
Originalmaterial. Stationäre Kamera in Hauptmann Glownas Büro. Farbfilm.
Nach Peturssons Abgang läuft die Kamera weiter. Sie nimmt den leeren Raum vor Glownas Schreibtisch auf. Weder Glowna noch Vieth halten sich im Erfassungsbereich des Geräts auf. Das Mikrofon der Kamera fängt aber das Gespräch zwischen den beiden Männern sowie die Geräusche im Raum ein.
Das Schleifen einer Schublade.
»Auch einen Schluck?«, schnauft Glowna.
Keine Antwort.
Einige Sekunden später gluckert eine Flüssigkeit. Dann einiges Geraschel, das Schleifen der Schublade und schließlich das Klacken von Holz auf Holz.
»Ah, vi el besser«, sagt Glowna. »Wenn unser Mustersoldat im Raum ist, dann kann man sich so etwas nicht erlauben. Der würde es fertigbringen, seinen eigenen Kompagniechef hinzuhängen, das können Sie mir glauben.«
Erneut keine Antwort.
»Und, ist alles so gelaufen, wie Sie es sich vorgestellt hatten?«
Nun endlich reagiert Vieth. »Nein. Das war leider überhaupt nichts. Ich hatte gehofft, der Bursche würde ein wenig ins Plaudern kommen. Ich habe ihm eine ganze Reihe Steilvorlagen geliefert, doch der Kerl hat einfach n icht angebissen. Stattdessen musste ich ihm jedes Wort aus der Nase ziehen. So etwas können wir nicht gebrauchen.«
»Nicht gebrauchen?« Panik schleicht sich in Glownas Stimme. »Sie meinen …?«
»Nein, das meine ich nicht. Petursson wird an unserem Unternehmen teilnehmen. Das stand schon vorab fest. Ich meine, wir können solches Filmmaterial nicht gebrauchen. Diese Gespräche sollten eigentlich wie narrative Interviews ablaufen. Wir geben den Kandidaten bestimmte Stichworte und hoffen, dass sie daraufhin ins Plaudern kommen. Diese Geschichten können wir später zusammenschneiden und noch ein bisschen frisieren, damit sich die Leute ein Bild vom jeweiligen Kandidaten machen können. Bei Petursson waren die Stichworte seine Vergangenheit und die Erwähnung der Offiziersschule. Seine Vergangenheit war aber ein kompletter Fehlschuss und die Offiziersschule hat nur bedingt gezündet. Nun habe ich etliche Meter Filmmaterial, die wir nicht verwerten können. Also werden wir auf existierendes Material zurückgreifen müssen, um Petursson vorzustellen. Kinderfotos, alte Filmaufnahmen, vielleicht ein paar Interviews mit Leuten, die ihn noch aus dem Waisenhaus kennen.«
Glowna schnaubt. »An das alte Material kommen Sie nicht ran. Das wird alles unter Verschluss gehalten. Schließlich soll ja nicht bekannt werden, was in den Waisenhäusern so alles abläuft.«
»So?«, sagt Vieth nach einem Augenblick des Schweigens. »Was denn?«
»Na ja, schlimme Sachen. Sie wissen ja, was man so munkelt.«
»Nein, das weiß ich nicht.«
Glowna zögert. »Schlimme Sachen eben. Ist ja auch egal. Jedenfalls möchte das ganz sicher niemand in die Öffentlichkeit tragen. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, weswegen Petursson nicht gerne über seine Vergangenheit redet. Wenn überhaupt, dann erzählt er mal etwas über seinen Großvater. Wahrscheinlich irgendwelche Lügengeschichten, die ihm seine Mutter eingepflanzt hat. Über seine Eltern spricht er so gut wie überhaupt nicht. Aber das würden Sie vermutlich auch nicht tun, wenn Sie nach Hause gekommen wären und gesehen hätten, was eine Jagdflinte Kaliber Zwölf bei der Mama angerichtet hat, bevor der Papa sich selbst eine Ladung aus dem Schießprügel verabreicht hat.« Glowna lacht. Nach einigen Sekunden geht das Lachen in einen Hustenanfall über. »Die Volkspolizei hat den kleinen Petursson mit der Flinte im Arm gefunden. Er hat sie wohl aus Papas kalten Fingern gepflückt und wollte sie ganz weit weg tragen, damit der Papa nicht noch mehr böse Sachen damit
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