FIDER (German Edition)
niemand zu Schaden gekommen. Deswegen wurde die Geschichte unter den Tisch gekehrt. Und das war nur eine Story. Da kursieren noch ganz andere Sachen. Das sollte man alles nicht so ernst nehmen. Dieser Steinberg tat so, als hätte er irgendeine Verschwörung aufgedeckt. Meinte, er werde jetzt verfolgt und solle aus dem Verkehr gezogen werden. Deswegen sehe er keinen anderen Ausweg mehr, als sich selbst umzubringen. Zumindest habe ich es so verstanden. Hat wohl ein bisschen übertrieben, der Gute.«
»Wohl wahr«, sagt Datso und wischt sich Reste des Rühreis aus seinem Schnurrbart. »Wenn der Nordmann i rgendwelchen Blödsinn versucht, dann treten wir ihm in den Arsch. Fertig, aus.«
Petursson starrt in seinen Kaffee. »Ganz recht. Wenn da draußen tatsächlich etwas ist, dann werden wir vielleicht eingesetzt, um die Situation aufzuklären. Damit bekämen wir eine Gelegenheit, auf die andere Soldaten ein Leben lang warten.«
Kaspa steht auf und sammelt seine Siebensachen ein. »Das wäre eine Gelegenheit, auf die ich nur zu gerne verzichten könnte. Ich war davon ausgegangen, in meiner ganzen Laufbahn keinen einzigen Schuss im Gefecht abfeuern zu müssen.«
Petursson grinst. »Kaspa, ich glaube, du hast ein ziemlich verzerrtes Bild von den Aufgaben eines Soldaten.«
»Abgesehen von einigen Ausrutschern verlief der Rest der Grundausbildung für die Soldaten eher ruhig. Nach und nach fanden sich alle wieder in die Rolle als einfacher Infanterist ein. Allmählich stellte sich auch wieder Routine bei der Verrichtung aller Aufgaben ein. Die Volksarmee wäre auf die Männer stolz gewesen. Bis auf einige Ausnahmen, versteht sich.«
Gunnar Sjoerdsma
Producer
Szene 23: Schräge Musik und der Schuss in den Ofen
Originalmaterial. Handkamera des Ausbilders. Farbfilm.
Nachdem er sich von seinem Schlag auf die Nase weitgehend erholt hat, macht Leisinger seinem Ruf als brutaler Hitzkopf immer wieder alle Ehre. So rastet er beispielsweise im Rahmen eines Gefechtsschießens völlig aus, als nur zwei Meter vor ihm eine Zielscheibe aufklappt. Anstatt einen aufgesetzten Schuss mitten in die Scheibe zu jagen, versetzt Leisinger der Scheibe einen Tritt und erledigt dabei die komplette Mechanik des Schießstandes. Anschließend knüppelt er mit der Schulterstütze seines Gewehrs so lange auf die Zielscheibe ein, bis sich diese in Sägespäne aufgelöst hat. Um der Sache die Krone aufzusetzen, löst sich am Ende ein Schuss aus Leisingers ungesichertem Gewehr. Glücklicherweise weist die Mündung der Waffe senkrecht nach oben. Niemand wird verletzt.
Bild im Bild: Unteroffizier Kettler.
»Das war eine vollkommen verrückte Situation. Der Gipfel des Wahnsinns war, dass Leisinger offenbar überhaupt nicht mitbekommen hat, was da gerade vorgefallen war. Er ist einfach wieder losmarschiert und wollte schon das nächste Ziel unter Feuer nehmen, als wir ihn mit drei Mann von den Beinen geholt haben. Ich habe dafür plädiert, ihn auszumustern, doch er durfte weiter teilnehmen. Also haben wir ihn eine zehn Seiten umfassende Ausarbeitung mit dem Titel ›Das Verhalten des Soldaten bei Schießübungen mit scharfer Munition im Gelände‹ schreiben lassen. Leisinger hat nicht einmal eine Seite voll bekommen.«
Originalmaterial, stellenweise geschnitten. Mehrere Überwachungskameras auf dem Exerzierplatz. Schwarzweißfilm.
Die Formalausbildung funktioniert inzwischen auch nahezu reibungslos. Die Ausbilder lassen die Soldaten in Formationen marschieren und immer kompliziertere Manöver vollführen. Alle Soldaten, die in der Volksarmee als Führungspersonal eingesetzt waren, erinnern sich nur zu gut an die Zeiten, in denen sie versucht haben, ihren eigenen Rekruten solche Manöver beizubringen.
Um so leichter fällt ihnen nun die Umsetzung. Was eindeutig nicht funktioniert, ist der Marsch mit Gesang. Die Ausbilder versuchen, den Soldaten das Lied »Ungarland« beizubringen. Dieses Lied gelangt jedoch nicht zur Vorführungsreife, da sich nur die wenigsten Soldaten den Text merken können. Die Fähigkeiten, einen Ton zu halten oder ihn auch nur ansatzweise zu treffen, erweisen sich ebenfalls als nicht sonderlich ausgeprägt.
Sprecher:
»Schließlich wird auch die Abschlusszeremonie einstudiert. Nach der Prüfung sollen die Männer im Rahmen einer Feierstunde offiziell in die SKAV aufgenommen werden. Dieser Moment wird die eigentliche Geburtsstunde der SKAV sein und soll im Süden sogar im TV übertragen
Weitere Kostenlose Bücher