Fieber
Hybriden-Effekt geeignet ist, Ihre Stellung gegenüber dem Rat der Direktoren zu sichern.«
»Ich habe die Studie damals deshalb nicht veröffentlicht, weil sie nur ein einzelner Schritt war in meiner Versuchsfolge. Außerdem habe ich noch nie großen Wert darauf gelegt, meine Arbeiten gedruckt zu sehen.«
»Das wissen wir alle. Und das ist vielleicht auch der entscheidende Grund dafür, daß Sie noch immer in einem Labor sitzen und nicht auf dem Stuhl eines Abteilungsleiters.«
»Ich habe auch kein Interesse daran, Abteilungsleiter zu werden«, stieß Charles gereizt hervor. Allmählich verlor er die Geduld. »Ich will Forschungsarbeit leisten und nicht irgendwelche Papiere herumschieben und meine Zeit auf Wohltätigkeitsfesten vergeuden.«
»Ich nehme an, das war als persönliche Beleidigung gedacht«, sagte Morrison kühl.
»Verstehen Sie es, wie Sie wollen«, entgegnete Charles, der jetzt alle Anstrengungen aufgegeben hatte, seinen Zorn zurückzuhalten. Er stand auf, ging hinüber zu Morrisons Schreibtisch und ließ anklagend seinen rechten Zeigefinger vorschnellen. »Und jetzt werde ich Ihnen meinen gewichtigsten Grund nennen, weshalb ich das Canceran-Projekt nicht übernehmen kann. Ich glaube nicht daran!«
»Was, zum Teufel, soll das heißen?« Auch Morrisons Geduld war nun fast erschöpft.
»Das soll heißen, daß zelluläre Gifte wie Canceran nicht die letzte Antwort auf Krebs sein können. Die Annahme ist, daß sie Krebszellen schneller töten als gesunde Zellen, so daß, nachdem die böswillige Wucherung gestoppt ist, noch genügend normale Zellen im Körper des Patienten sind, die ihn am Leben erhalten. Aber das kann nur eine Zwischenlösung in der Behandlung der Krankheit sein. Eine wirkliche Heilmethode gegen Krebs kann nur von einem besseren Verständnis der zellulären Lebensprozesse kommen, besonders des chemischen Informationsaustausches zwischen den Zellen.«
Charles begann aufgeregt hin und her zu laufen, seine Hand fuhr immer wieder nervös durch seine Haare. Im Gegensatz zu ihm blieb Morrison völlig regungslos hinter seinem Schreibtisch stehen. Nur seine Augen folgten Charles’ stürmischem Auf und Ab.
»Ich werde Ihnen noch etwas sagen«, rief Charles. »Der ganze medizinische Angriff auf den Krebs geht von einem falschen Standpunkt aus. Man darf sich Krebs nicht wie irgendeine andere Krankheit vorstellen, wie eine Infektion. Das verstärkt nur die falschen Hoffnungen, daß eines Tages ein Wundermittel dagegen gefunden werden könnte, das wie ein Antibiotikum wirkt.« Charles war stehengeblieben, er beugte sich über den Schreibtisch zu Morrison. Seine Stimme war leiser geworden, aber noch leidenschaftlicher. »Ich habe sehr viel darüber nachgedacht, Dr. Morrison, Krebs ist keine Krankheit im traditionellen Sinn. Er legt den Blick frei auf eine primitivere Form des Lebens, wie jene, die am Beginn der Entwicklung mehrzelliger Organismen existierte. Denken Sie darüber nach. Zu einer Zeit, die Äonen zurückliegt, gab es nur einzellige Kreaturen, die eigensüchtig nur auf sich selbst achteten. Aber dann, einige Millionen Jahre später, taten sich einige von ihnen zusammen, weil es das Überleben erleichterte. Der Informationsaustausch zwischen ihnen verlief auf chemischem Weg, und erst dieser Informationsaustausch machte mehrzellige Organismen wie uns möglich. Warum tut eine Leberzelle nur das, was eine Leberzelle zu tun hat, oder eine Herzzelle oder eine Gehirnzelle? Die Antwort liegt im chemischen Informationsaustausch. Aber Krebszellen reagieren nicht auf diese chemischen Informationen. Sie sind aus dem System herausgefallen, zurück auf eine primitivere Stufe, wie jene einzelligen Organismen, die vor Millionen Jahren existierten. Krebs ist keine Krankheit, aber vielleicht ein Schlüssel zu den Urgründen des Lebensaufbaus. Und die Immunologie untersucht dieses Informationssystem.«
Beide Arme auf Morrisons Schreibtisch gestützt und weit vorgebeugt, endete Charles seinen Monolog. Dann trat ein beklemmendes Schweigen ein. Morrison räusperte sich, zog seinen Ledersessel vor und setzte sich.
»Sehr interessant, wirklich«, sagte er. »Leider haben wir es in unserem Geschäft nicht mit der Metaphysik zu tun. Ich darf Sie daran erinnern, daß der immunologische Aspekt von Krebs über mehr als zehn Jahre erforscht worden ist und sehr wenig zur Lebensverlängerung der Krebsopfer beigetragen hat.«
»Genau das ist der Punkt«, unterbrach Charles ihn. »Die Immunologieforschung wird
Weitere Kostenlose Bücher