Fieber
gepreßt, zu Tode erschrocken von dem, was sich vor ihren Augen abspielte. Sie wagte es nicht, sich zu bewegen, weil sie Angst hatte, im Weg zu sein. Sie verstand nicht, was eigentlich geschehen war. Aber sie fühlte, es war gefährlich. Und wo war Charles?
Dann wurde die Tür aufgerissen, und eine Frau stürmte herein. Sie war mit soviel Schwung in das Zimmer getreten, daß sie auf dem glattgebohnerten Kunststoffboden ausrutschte und sich nur mit einem schnellen Griff an die Türkante auf den Beinen halten konnte.
Es war eine Ärztin, die zum Krankenhaus gehörte. Sie lief sofort zum Bett und griff nach Michelles Handgelenk, um den Puls zu fühlen.
»Ich glaube, sie hat eine Rhythmusstörung«, sagte die Oberschwester. »Sie ist ein Leukämiefall. Myeloisch. Der zweite Tag ihrer Chemotherapie.«
»Irgendwelche Herzkrankheiten in der Vergangenheit?« fragte die Ärztin in forderndem Ton. Sie beugte sich über Michelle und zog ihre Augenlider hoch. »Zumindest sind die Pupillen zu sehen.«
Die drei Schwestern sahen sich gegenseitig an. »Wir glaubennicht, daß sie schon früher Herzprobleme hatte. In ihrer Krankengeschichte ist nichts vermerkt.«
»Blutdruck?« fragte die Ärztin.
»Zuletzt sechzig zu vierzig, aber schwankend«, sagte die Stationsschwester.
»Akute Rhythmusstörung«, bestätigte die Ärztin. »Treten Sie einen Augenblick vom Bett zurück.«
Die Ärztin ballte ihre Hand zur Faust und schlug sie so heftig auf Michelles Thorax, daß es dumpf im Zimmer widerhallte. Der Ton ließ Cathryn zusammenzucken.
Ein sehr jung aussehender Chefarzt kam in das Zimmer gelaufen, gefolgt von zwei weiteren Ärzten, die einen kleinen Karren schoben, auf dem eine Unzahl medizinischer Instrumente stand und zwei elektronische Geräte.
Die Ärztin gab einen knappen Bericht über Michelles Zustand, während die Schwestern eilig die Leitungen des EKGs an Michelles Armen und Beinen befestigten.
Die Oberschwester beugte sich zu der Hilfsschwester und bat sie, Dr. Keitzman zu suchen.
Eines der Geräte auf dem Karren begann einen schmalen Streifen Papier abzurollen, auf dessen graphischen Linien Cathryn die Zacken eines EKGs erkennen konnte. Die Ärzte versammelten sich um den Karren, als ob sie Michelle für einen Moment vergessen hätten.
»Rhythmusstörung«, sagte der Chefarzt. »Verbunden mit Atemnot und Zyanose ist ihr Kreislauf akut gefährdet. Was heißt das, George?«
Einer der Ärzte sah erschreckt auf. »Wir sollten ihrem Herz sofort einen Stromimpuls geben … denke ich.«
»Du denkst völlig richtig«, pflichtete der Chefarzt bei. »Aber vorher ziehen wir zur Sicherheit eine Spritze Lidocain auf. Wieviel wiegt das Mädchen; fünfzig Kilogramm, oder?«
»Etwas weniger«, sagte die Ärztin.
»Schön, fünfzig Milligramm Lidocain. Und macht auch ein Milligramm Atropin fertig, falls sie hinterher einen zu niedrigen Rhythmus hat.«
Das Team arbeitete Hand in Hand. Während ein Arzt die Spritzen aufzog, holte ein anderer die Kontaktplatten hervor. Der dritte half, Michelle in die richtige Stellung zu bringen.
Eine Kontaktplatte wurde unter ihren Rücken gelegt, die anderen gegenüberliegend auf ihre Brust.
»Alles fertig, bitte zurücktreten«, sagte der Chefarzt. »Für den Anfang versuchen wir es mit einem Fünfzig-Watt-Schock, den wir für eine Sekunde geben. Achtung, jetzt.«
Er drückte einen Knopf, und einen kurzen Augenblick später zuckte Michelles Körper so heftig zusammen, daß ihre Arme und Beine in die Luft flogen.
Schreckensstarr sah Cathryn auf die Ärzte, die nicht auf Michelles heftige Reaktion zu achten schienen, sondern einfach bei ihren Apparaten stehenblieben. Cathryn sah, wie Michelle völlig verwirrt die Augen aufschlug und versuchte, den Kopf zu heben. Gott sei Dank wich der bläuliche Farbton jetzt aus ihrem Gesicht.
»Nicht schlecht!« rief der Chefarzt, nachdem er für einen Augenblick auf den EKG-Streifen gesehen hatte, der jetzt aus dem Gerät kam.
»John, du wirst wirklich immer besser«, stimmte die Ärztin zu. »Du solltest damit dein Geld verdienen, so gut machst du das.«
Die Ärzte lachten und wandten sich zu Michelle.
Atemlos kam Dr. Keitzman ins Zimmer gestürzt, die Hände tief in die Taschen seines Kittels vergraben. Ohne auf jemanden zu achten, trat er sofort an Michelles Bett. Seine Augen überflogen nervös ihren Körper. Dann griff er nach ihrem Handgelenk und fühlte ihren Puls.
»Geht es dir wieder gut, Prinzeßchen?« Er zog sein Stethoskop
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