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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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werdet mich am Ende töten.« Er erhob seine Stimme. » Haltet sie auf! « rief er. »Sie haben mich bedroht, sie fliehen, haltet sie! « Er warf sich nach hinten, außer Marshs Reichweite. Marsh fluchte und zog das Messer, aber es war zu spät, alle Deckshelfer und Schauerleute rückten auf ihn zu. Zwei hatten selbst Messer in den Händen, wie er erkennen konnte. »Tötet ihn!« brüllte Sour Billy . . . »Holt Julian, weckt ihn, tötet sie!«
    Marsh packte das Seil, das die Jolle mit dem Dampfer verband, und durchtrennte es mit einem schnellen Schnitt des Messers und schleuderte dann die Klinge auf Billys schreienden Mund. Aber der Wurf war schlecht gezielt, und Sour Billy duckte sich sowieso. Jemand faßte nach Marshs Rock. Er schlug dem Betreffenden ins Gesicht und stieß ihn den Männern hinter ihm in den Weg. Die Jolle trieb mittlerweile in der Flußströmung. Marsh tat einen Schritt auf sie zu, ehe sie außer Reichweite geriet. Joshua brüllte ihm zu, er solle sich beeilen, aber jemand legte ihm die Hände um den Hals und riß ihn zurück. Abner Marsh trat wütend aus, aber der Mann hielt fest, und die Jolle entfernte sich immer weiter, flußabwärts, Joshua rief etwas, und Marsh glaubte, mit ihm sei es aus. Dann pfiff ihm Toby Lanyards gottverdammtes Fleischerbeil am Ohr vorbei, nahm ein Stück davon mit, und der Arm um seinen Hals sank herab, während Marsh spürte, wie Blut seine Schulter benetzte. Er warf sich nach vorn, der Jolle entgegen, und schaffte den halben Abstand, schlug schwer auf die Wasserfläche auf, mit dem Bauch zuerst. Sämtliche Luft wurde ihm aus den Lungen gepreßt, und die Kälte traf ihn wie ein Schock. Abner Marsh ruderte mit den Armen und trat wild aus und bekam den Mund voll Wasser und Flußschlamm, ehe er wieder auftauchte. Er sah die Jolle schnell davontreiben, den Fluß hinunter, und paddelte auf sie zu. Ein Stein oder ein Messer klatschte dicht neben seinem Kopf ins Wasser, und ein anderer Gegenstand landete einige Zentimeter vor ihm, aber Toby hatte die Ruder eingelegt und bremste die Fahrt des Bootes etwas, und Marsh erreichte es und schob einen Arm über den Rand. Er brachte das Boot fast zum Kentern bei dem Versuch, hineinzuklettern, aber Joshua hatte ihn gepackt und zog ihn, und ehe er sich versah, lag Marsh auf dem Boden der Jolle und spuckte Wasser. Dann richtete er sich auf, sie waren mittlerweile sieben, acht Meter von der Fiebertraum entfernt und nahmen nun zügig Fahrt auf, als die Strömung sie voll erfaßte. Sour Billy Tipton hatte sich irgendwo eine Pistole besorgt, stand auf dem Vorderdeck und schoß auf sie, doch er traf nichts.
    »Dieser verdammte Bastard!« stieß Marsh hervor. »Ich hätte ihn töten sollen, Joshua.« »Wenn Sie das getan hätten, dann wären wir niemals weggekommen.«
    Marsh blickte finster. »Zur Hölle. Vielleicht. Ich glaube, es wäre die Sache fast wert gewesen.« Er schaute sich in der Jolle um. Toby ruderte und sah aus, als brauche er dringend Hilfe. Marsh nahm das andere Ruder. Karl Framm war noch bewußtlos. Marsh fragte sich insgeheim, wieviel Blut Valerie ihm wohl geraubt hatte. Valerie selbst machte keinen besonders guten Eindruck. Eingehüllt in Framms weite Kleider, den Hut tief ins Gesicht gezogen, sah sie aus, als schrumpfe sie im Tageslicht immer weiter ein. Ihre bleiche Haut hatte bereits einen rosigen Schimmer, und die großen violetten Augen erschienen klein, matt und schmerzerfüllt. Er fragte sich auch, ob sie es wirklich geschafft hatten, sich in Sicherheit zu bringen, während er das Ruder ins Wasser tauchte und sich dagegen stemmte. Der Arm schmerzte ihn, das Ohr blutete, und die Sonne strahlte hell vom Himmel und stieg dem Zenit entgegen.

KAPITEL ACHTUNDZWANZIG
 
Auf dem Mississippi River, Oktober 1857
     
     
    A bner Marsh hatte seit mehr als zwanzig Jahren keine Lot-Jolle mehr gerudert. Da nur er und Toby ruderten, war es eine verdammt harte Arbeit, selbst wenn sie mit der Strömung unterwegs waren. Arme und Rücken protestierten bereits nach einer halben Stunde heftig. Marsh knurrte einen Fluch und ruderte weiter. Die Fiebertraum war jetzt außer Sicht, hinter ihnen wie vom Erdboden verschluckt. Die Sonne kroch am Firmament empor, und der Fluß hatte sich stark verbreitert. Von einem Ufer zum anderen betrug die Entfernung fast eine Meile, jedenfalls hatte es den Anschein.
    »Ich habe Schmerzen«, meldete Valerie sich.
    Joshua York riet ihr: »Dann bedeck dich, so gut es geht.«
    »Ich verbrenne«, sagte

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