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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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zwischen zwei Deckspassagieren, bei dem niemand verletzt wurde. Die meiste Zeit verbrachten die Passagiere und die Mannschaft der Fiebertraum auf ihren Decks, wo sie die Liegestühle in die Sonne geschoben hatten und rauchten oder Tabak kauten oder über Politik diskutierten. Jeffers und Albright spielten im Ruderhaus Schach. Framm erzählte im großen Salon wilde Geschichten. Einige der Damen äußerten den Wunsch zu tanzen. Und Abner Marsh wurde immer ungeduldiger.
    Bei Einbruch der Dunkelheit saß Marsh oben auf der Texasveranda, trank Kaffee und zerquetschte Moskitos, als er zufällig gerade rechtzeitig zum Ufer blickte, um Joshua York beim Verlassen des Raddampfers zu beobachten. Simon begleitete ihn. Sie gingen zur Hütte, unterhielten sich kurz mit dem Holzplatzjungen, dann verschwanden sie auf einer zerfurchten Lehmstraße im Wald. »Ich glaub’, ich werd’ nicht mehr«, sagte Marsh und erhob sich. »Ohne ein Wort zu sagen.« Er runzelte die Stirn. »Und auch ohne Abendessen.« Das erinnerte ihn an seinen Hunger, und er ging hinunter in die Hauptkabine, um zu speisen.
    Die Nacht verstrich; Passagiere und Mannschaft wurden allmählich unruhig. An der Bar wurde viel getrunken. Ein Plantagenbesitzer holte Karten hervor und begann eine Runde Brag, und andere Gäste stimmten ein heiseres Lied an, und ein säuerlicher junger Mann fing sich einen Stockhieb ein, weil er lauthals die Abschaffung der Sklaverei forderte.
    Kurz vor Mitternacht kehrte Simon alleine zurück. Abner Marsh hielt sich im Salon auf, als Hairy Mike ihm auf die Schulter tippte; Marsh hatte Befehl gegeben, man solle ihn sofort benachrichtigen, wenn York wieder zurückkam. »Holen Sie Ihre Leute an Bord, und bestellen Sie Whitey, er soll Dampf machen«, sagte er dem Maat, »wir müssen einige Zeit aufholen.« Dann wollte er York aufsuchen. Aber York war nicht da.
    »Joshua will, daß Sie weiterfahren«, meldete Simon. »Er bleibt an Land und trifft uns in New Madrid. Dort sollen Sie auf ihn warten.« Hitzige Fragen ergaben aber keine weiteren Informationen; Simon fixierte Marsh nur mit seinen kleinen kalten Augen und wiederholte die Nachricht, daß die Fiebertraum in New Madrid auf York warten solle.
    Sobald genügend Dampf in den Kesseln war, wurde es eine kurze, angenehme Fahrt. New Madrid lag nur ein paar Meilen flußabwärts von dem Holzplatz entfernt, wo sie den ganzen Tag gelegen hatten. Marsh fiel der Abschied von diesem öden Ort nicht schwer, als sie in die Nacht hinausdampften. »Dieser verdammte Joshua«, murmelte er.
    In New Madrid verloren sie fast zwei volle Tage.
    »Er ist tot«, äußerte Jonathon Jeffers seine Meinung, als sie schon eineinhalb Tage festlagen. New Madrid hatte Hotels, Billardhallen, Kirchen und allerlei andere Unterhaltungsmöglichkeiten, die man auf Holzplätzen nicht antraf, daher war die Zeit, die man festlag, nicht annähernd so langweilig, aber nichtsdestoweniger warteten alle ungeduldig auf die Fortsetzung der Reise. Ein halbes Dutzend Passagiere, ungehalten über den Aufenthalt bei besten Wetterbedingungen - das Boot war in gutem Zustand, die Landungsbrücke stand hoch - kamen zu Marsh und forderten die Rückzahlung der Passagengebühr. Sie wurden entrüstet abgewiesen, aber Marsh schäumte innerlich vor Wut und fragte ziemlich laut, in was Joshua York wohl hineingeraten sein mochte.
    »York ist nicht tot«, sagte Marsh. »Ich sage nicht, daß er sich vielleicht den Tod wünschen wird, wenn ich ihn in die Finger bekomme, aber noch ist er nicht tot.«
    Hinter seiner goldgeränderten Brille wölbten sich Jeffers Augenbrauen. »Nein? Wie können Sie so sicher sein, Cap’n? Er war allein und wollte bei Nacht zu Fuß durch den Wald. Dort gibt es jede Menge Gesindel und wilde Tiere. Soviel ich weiß, sind in den letzten paar Jahren einige Leute in der Umgebung von New Madrid ums Leben gekommen.«
    Marsh starrte ihn an. »Was soll das heißen?« fragte er. »Woher wissen Sie das?«
    »Ich hab’s in den Zeitungen gelesen«, entgegnete Jeffers.
    Marshs Gesicht verfinsterte sich. »Nun, das heißt gar nichts. York ist nicht tot. Das weiß ich, Mister Jeffers, das weiß ich ganz sicher.«
    »Kann er sich dann verirrt haben?« äußerte der Zahlmeister eine andere Vermutung und lächelte kühl. »Sollen wir eine Mannschaft zusammenstellen und ihn suchen, Cap’n?«
    »Ich überleg’s mir«, sagte Abner Marsh.
    Aber das war nicht nötig. An diesem Abend, eine Stunde nach dem die Sonne untergegangen war, kam

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