Fiese Finsterlinge
spiegelte das Sonnenlicht in gleicher Weise wider wie das Wasser, das die Insel umgab, so dass sie von weitem betrachtet praktisch unsichtbar war.
Nate stand auf. Der »Strand« war mit Plastikmüll übersät, ganz so wie das träge heranschwappende Wasser. Auch war die Insel recht groß, wie Nate nun erkannte. Wie groß genau ließ sich von seinem Standort aus schwer abschätzen, vielleicht anderthalb Quadratkilometer, aber sie war dick genug, um sein Gewicht zu tragen. Es war anzunehmen, dass sie unter Wasser noch viel größer war, überlegte Nate, so wie bei einem Eisberg.
Die WANDERER, so bemerkte Nate, hätte nicht vollständiger zerstört sein können, wenn in dem Boot eine Bombe hochgegangen wäre. Im Gegensatz zu Nate war es nicht aus dem Wasser katapultiert worden. Die Monsterwelle hatte das eigentlich robuste Gefährt mit voller Wucht getroffen. Nate schauderte bei der Vorstellung, was die Welle erst mit seinem Körper angerichtet hätte.
Während er sich umsah, verschmolzen Nik und Pernikus mit dem Strandmüll und waren plötzlich unsichtbar.
»Oh nein«, sagte Nate.
Einen Sekundenbruchteil später prallte ein mit Wasser gefülltes Plastikgeschoss gegen Nates Brust und schleuderte ihn rücklings zu Boden. Zum zweiten Mal binnen weniger Minuten schaute Nate in Rückenlage zum Himmel auf.
Eine Gruppe von vier Leuten in weißen Plastikkitteln kam heranmarschiert. Der Größte von ihnen hatte eine Apparatur um die Brust geschnallt, die aussah wie eine Mischung aus einem Kindertragegurt und einem Katapult. Der Mann war über zwei Meter groß und wog bestimmt hundertzwanzig Kilo. Er legte ein zweites Plastikgeschoss ins Katapult.
»Hinlegen, keine Bewegung!«, befahl er.
Nate stöhnte. »Ich liege doch schon.«
»Nicht aufstehen!«
»Ich kann nicht aufstehen«, versicherte ihm Nate und hielt sich die geprellte Brust. Er rollte sich auf die Seite, um einen besseren Blick auf die Neuankömmlinge zu haben. Es waren zwei Männer und zwei Frauen. Eine der Frauen war jung und zierlich und ziemlich hübsch. Die andere war groß und wirkte mürrisch und schien genauso beflissen, ihn in Schach zu halten wie ihre männlichen Kollegen. Als Nate sich bewegte, spannte sich der Hüne an, den Finger am Abzug des Katapults.
»Im Ernst, keine Bewegung«, sagte das hübsche Mädchen. »Diese Geschosse können dir den Kopf wegpusten.« Auch ihre Stimme klang ihm angenehm in den Ohren, bemerkte Nate, obwohl sie davon sprach, ihm den Kopf wegzupusten.
»Wo bin ich?«, fragte er, während sich der zweite Mann, ein drahtiger, sonnengegerbter Bursche, zu ihm herabbeugte und ihm Plastikpolizeifesseln um die Handgelenke schlang.
»Im Großen Pazifischen Müllstrudel«, sagte das hübsche Mädchen.
»Halt den Mund«, knurrte der Hüne. »Wir wissen noch nicht, ob wir den Angespülten behalten.« Er wuchtete Nate auf die Beine. »Du kommst mit«, befahl er unnötigerweise – er war genauso stark, wie seine Größe vermuten ließ, und Nate beschloss, dass ihm in der Angelegenheit keine andere Wahl blieb.
Der Drahtige packte seinen anderen Arm. Die mürrische Frau und das hübsche Mädchen nahmen jeweils ein Bein. Gemeinsam schleppten sie ihn ins Landesinnere der durchsichtigen Plastikinsel, fort vom Strand, fort von seinem zertrümmerten Boot und fort von seinen dämonischen Gehilfen, die mit sorgenvollen Mienen die Entführung ihres Hüters beobachteten.
5. Kapitel
Angriff der Rostdämonen
N eebor eilte mit stolperndem Gang, so wie alte Männer es tun, von einer einstürzenden Wellblechplatte zur nächsten. Zuerst liefen die Platten orangefarben an, dann erschienen gezackte Löcher in ihnen, und schließlich zerfielen sie zu Staub. Anfangs war es ein langsamer, fast unmerklicher Vorgang. Neebor hatte an seiner Metallbarrikade gestanden und mit zusammengekniffenen Augen die Straße beobachtet, hatte gespürt, dass irgendetwas im Gange war, ohne so recht zu wissen, was. Kurz darauf war, direkt unter seiner Nase, die Wellblechplatte dunkler geworden und hatte ihre Farbe verändert. Dann beugte Neebor sich vor und stieß seine Hand versehentlich durch einen orangefarbenen Rostfleck im Wellblech.
Bei der ersten Wellblechplatte hatte es mehrere Minuten gedauert, bis die Rostdämonen sie aufgefressen hatten. Nun aber, auf dem Höhepunkt ihrer Schlemmerorgie, fraßen sie sich in weniger als sechzig Sekunden durch eine Platte, ehe sie sich über die nächste hermachten. Genau
genommen sah Neebor die Winzlinge gar nicht, nur
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