Fiese Finsterlinge
auf. »Rennen wir jetzt los?«
»Ja«, sagte Lilli.
»Weg hier!«, rief Sandy.
Sie stürmten dem Eingang der Mülldeponie entgegen, während zehn weitere Tentakel aus alten Röhren, verdreckten Seilen und anderem biegsamem Müll hinter dem
Haushaltsgerätehaufen hervorschossen. Die drei rannten und wichen immer wieder zur Seite aus. Richie hackte auf die Tentakel ein, die nach ihnen griffen. Eine schmutzige lange Hand aus chirurgischen Instrumenten und stinkenden Socken schlang sich um Sandys Bein, und er stieß die zerbrochene Schaufel mitten durch die Hand in den Boden.
»Danke!«, japste Sandy.
Während sie rannten und rannten, verleibte der Mülldämon sich den Haushaltsgerätehaufen ein, riss die Föhne, Kühlschränke und Geschirrspüler heraus und stopfte sich alles in den massigen Körper. Unterdessen konnten sich Lilli, Sandy und Richie einen kleinen Vorsprung erlaufen.
Dennoch blieb der riesige Müllberg ihnen auf dem Fersen. Er wogte unablässig voran, seine Myriaden von dreckstarrenden Einzelteilen pflügten durch die Abfälle, die ihm im Weg waren, und absorbierten sie, so dass er größer und größer wurde. Zersplittertes Holz, scharfkantige Sprungfedern und Metallrahmen aus alten Bettgestellen schufen einen knirschenden Mahlstrom, der sie unweigerlich zerquetschen würde, falls sie ihr Tempo auch nur ein klein wenig verringern würden.
Lilli stürmte um eine Biegung und blieb abrupt stehen. Sackgasse. Richie und Sandy kamen herangeeilt und sahen sich fieberhaft um. Sie saßen in der Falle. Hinter ihnen richtete der Müllberg sich auf und hielt inne, um kurz den Augenblick seines Triumphes zu genießen, bevor er sie verschlingen würde.
»Tut mir leid«, sagte Sandy. »Das alles war meine Idee.«
»Wir sind ein Team«, erklärte Lilli. Es wäre sinnlos, einem Einzelnen die Schuld an allem zu geben.
»Ja«, sagte Richie. »Wir haben alle zugestimmt, auf Dämonenjagd zu gehen.«
Plötzlich übertönte das Brüllen eines Fahrzeugs ihren Wortwechsel. Hinter dem Mülldämon ließ der Abschleppwagen den Motor aufheulen. Die Reifen drehten einen Moment lang durch, wirbelten Matsch auf.
Der Mülldämon kauerte sich zusammen, suchte nach einem Fluchtweg.
»Seht nur! Vorne am Wagen hängt eine riesige Klinge«, sagte Sandy und deutete auf den Kühlergrill, wo jemand in einer horizontalen Linie die Metallverschlüsse von Aluminiumdosen an der Stoßstange befestigt und dadurch einen scharfkantigen Pflug hergestellt hatte. »Der Dämon fürchtet sich davor.«
»Wer sitzt am Steuer?«, rief Richie.
Der Abschleppwagen kam auf den Müllberg zugerast, der sich nun wieder aufrichtete und zur Seite neigte, als versuche er, sich umzuwenden und zu fliehen. Einzelne Abfälle rutschten entsetzt an ihm herunter. Hunderte durchweichter Zeitungen kamen aus dem Müllberg herausgeflattert wie ein erschrockener Vogelschwarm. Schimmlige Puppen krochen unter dem Haufen hervor und krochen verzweifelt zu anderen Müllbergen, um sich dort in Sicherheit zu bringen. Ein alter Toaster versuchte herunterzupurzeln, aber vergebens, weil sein Stromkabel in dem Haufen festhing.
Der Abschleppwagen mit der improvisierten Bulldozerklinge raste genau in die Mitte des Dämons hinein. Beim Aufprall gab es einen ohrenbetäubenden Knall, und die Abfälle flogen in alle Richtungen. Lilli, Richie und Sandy
sprangen zur Seite, wurden aber trotzdem mit herumfliegendem Müll übersät. Einen Moment lang konnten sie nichts mehr erkennen.
Dann, genauso plötzlich, wie der Müll explodiert war, lag er reglos am Boden, und auf der Mülldeponie kehrte wieder Ruhe ein. Benommen blickten Lilli, Richie und Sandy um sich. Der Müllberg war verschwunden, und statt seiner lag nun eine platt gewalzte Schicht aus Abfällen vor dem Kühlergrill des Abschleppwagens.
»Ist er tot?«, fragte Sandy.
»Nein«, sagte Lilli. »Müll kann man nicht töten. Man kann nur versuchen, seiner Herr zu werden.«
Alle drei starrten zur Windschutzscheibe des Abschleppwagens. Sie war völlig verdreckt, mit Schlamm und klebrigem Schleim verschmiert. Einer der Schläger, dem die Flucht gelang?, fragte sich Lilli beklommen. Es war die einzige Erklärung. Gleich wird er auch uns überfahren. Dann traf sie, Richie und Sandy fast der Schlag, als sich die Scheibenwischer in Bewegung setzten, den Dreck von der Windschutzscheibe schoben und ein bekanntes Gesicht zu ihnen herabblickte.
»Nate!«, riefen sie alle wie aus einem Mund.
17. Kapitel
Wieder vereint
N ate setzte
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