Fieses Karma
er nur: »Möchtest du eine Cola?«
Auch wenn ich eigentlich nichts zu trinken haben will, sage ich Ja. Spencer steht auf und geht in die Küche. Einen Augenblick später kommt er mit zwei Dosen zurück. Ich nehme mir eine Cola, öffne sie und trinke ein paar Schlucke. Ich habe zwar keinen Durst, aber ich will nicht unhöflich sein. Mein Vater hat mir beigebracht, dass man als Gast das isst, was auf dem Teller liegt, und das trinkt, was einem angeboten wird. Auch wenn ich vermute, dass er damit nicht die elternfreien Hauspartys gemeint hat, bei denen jemand einem eine Bierdose in die Hand drückt, sobald man zur Tür hereinkommt.
Für einen kurzen Moment trinken Spencer und ich schweigend. Es fühlt sich irgendwie merkwürdig an, aber ich weiß ehrlich nicht, warum. Ich meine, mir ist klar, dass ich mit dem weitermachen sollte, wozu ich hergekommen bin, nämlich ihm bei seinen Französischhausaufgaben zu helfen. Aber in Wirklichkeit würde ich ihn viel lieber über Jenna ausfragen. Ihn fragen, warum er in roter Sprayfarbe etwa derart Gemeines auf ihren Spind geschrieben hat.
Ich habe es gestern mit eigenen Augen gesehen, bevor der Hausmeister es mit einem Spezialreiniger entfernt hat. Lasst mich einfach sagen, es war nicht nett. Jemand, der so was hinschmiert,damit die ganze Welt es sehen kann, ist abscheulich. Und je länger ich hier sitze und darüber nachdenke, während ich so tue, als wäre ich mit Trinken beschäftigt, umso mehr verabscheue ich ihn deswegen. Es ist nur billig und charakterlos.
»Also – sollten wir nicht weitermachen?«, fragt Spencer, nachdem er ausgetrunken hat.
Ich ringe mir ein Lächeln ab und stelle meine Dose beiseite. »Ja, machen wir weiter. Schließlich bezahlen mich deine Eltern pro Stunde.«
Er lacht, und ich bereue meine Worte sofort. Ich spüre, dass ich rot werde, und wende den Blick ab. Klang das gerade anzüglich? Ich habe es nicht so gemeint. Seine Eltern bezahlen mich wirklich pro Stunde … um ihm bei seinen Hausaufgaben zu helfen. Doch als ich mich Spencer wieder zuwende, sehe ich, dass er mich beobachtet. Als würde er erwarten, dass ich gleich irgendwas ganz Wichtiges sage oder tue. Und damit meine ich nicht das Ersetzen eines Substantivs durch ein Pronomen.
Ich will gerade den Mund aufmachen und ihn fragen, warum zum Teufel er mich so anstarrt, als er sagt: »Bevor wir weitermachen, sollte ich dir etwas sagen.«
Mein erster Gedanke ist, dass er jetzt alles zugeben wird. Er wird mir die ganze Geschichte von Jenna erzählen und erklären, was es mit der Schrift auf ihrem Spind auf sich hat. Und dann wird alles einen Sinn ergeben. Und ich werde es ihm nicht länger übel nehmen. Denn aus einem Grund, der mir in diesem Augenblick nicht klar ist, ist mir das ganz wichtig.
»Was denn?«, frage ich so beiläufig und harmlos wie möglich.
Er räuspert sich so, wie Leute es tun, wenn sie gleich etwas beichten. »Als ich ins Büro des Schulberaters gegangen bin, um mich für Nachhilfe einzutragen«, fängt er an, »habe ich … äh, in gewisser Weise dich als Tutorin angefordert.«
Hä?
Was meint er damit, dass er mich angefordert hat? Er kannte mich doch nicht mal, oder?
»Warum mich?«, frage ich.
Er zuckt mit den Schultern und weicht meinem Blick aus. Zum ersten Mal merke ich, dass er nervös ist. Aber weshalb sollte er in meiner Gegenwart nervös werden? Ich bin doch nur Maddy Kasparkova. Das Mädchen mit den guten Noten, das im Apartment sitzen gelassen worden ist. Glaubt mir, ich bin niemand, wegen dem man nervös zu werden braucht.
»Ich weiß nicht«, sagt er. »Als ich dich neulich im Büro sah – als du mich mit Mr Wilson verwechselt hast, weißt du noch? –, da fand ich dich irgendwie süß und … na ja, ich weiß ja, dass man sich keine Tutoren aussuchen soll, weil sie süß sind, aber schaden kann es schließlich auch nicht, stimmt’s?«
Süß? Spencer Cooper findet mich süß? Wie man ein kleines Mädchen süß findet? »Ach, seht doch nur die Kleine in ihrem süßen Ballerinakleidchen!« Die Art von süß? Das hat er doch sicher gemeint, oder?
»Ich habe Mr Wilson gefragt, ob du auch Französischnachhilfe gibst, und so kommt es, dass wir jetzt hier sind.«
Ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll. Schließlich passiert es nicht jeden Tag, dass einer der beliebtesten und heißesten Typen der Schule dir gesteht, dass er ausgerechnet dich ausgesucht hat. Zugegeben, aus einem Pool von Idioten, aber dennoch. Also sage ich bloß:
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