Fieses Karma
»Okay.«
Spencer blickt noch unbehaglicher drein als vor ein paar Sekunden. »Ich weiß wirklich nicht, warum ich dir das unbedingt sagen wollte. Ich wollte … es einfach.«
»Okay«, wiederhole ich und komme mir unsäglich bescheuert vor. Aber ehrlich, es ist das einzige Wort, das mir im Augenblick einfällt. Toll, oder?
Bevor ich mir etwas Wortgewandteres einfallen lassen kann, küsst Spencer mich plötzlich. Ja, einfach so. Und es ist absolut himmlisch. Seine Lippen fühlen sich an wie Seide und er schmecktnach Cola und Vanille-Cupcakes. Wo der Cola-Geschmack herkommt, weiß ich ja, aber die Vanille-Cupcakes? Ich habe keinen Schimmer. Nicht dass es mich im Geringsten kümmern würde.
Ich spüre ein Kribbeln in den Zehen, das ich nie gespürt habe, wenn ich Mason geküsst habe. Aber gleichzeitig habe ich eine unheimliche Vorahnung. Und eine Stimme tief in meinem Inneren schreit, ich solle aufhören. Dass dieser Typ nicht der ist, der er zu sein vorgibt. Dass das hier nur gespielt ist. Spencer, der schöne, höfliche, erstaunliche Küsser, ist in Wirklichkeit Spencer, der fiese Sprayer, der einem böse Verleumdungen auf den Spind sprüht. Vielleicht ist er eine Art Doktor Jekyll und Mister Hyde. Oder seine dunkle Seite wird durch Vollmond ausgelöst. Das wäre auch okay. Ich kann ihn ja küssen und ihm bei Vollmond aus dem Weg gehen.
Die Gründe, warum ich diesen atemberaubenden Kuss sofort beenden sollte, prasseln mir wie Bälle an den Kopf, aber ich wehre sie Stück für Stück ab. Schließlich rückt Spencer von mir ab, und wir sehen uns einen Augenblick lang an. Ich erwarte von ihm einen Satz wie »Okay, was ist nun mit den französischen Pronomen?«, und dass er so tut, als wäre nichts passiert, aber stattdessen sagt er: »Ich glaube, wir sollten meinen Eltern lieber nicht sagen, dass sie dafür bezahlen.«
Ich breche in nervöses Gelächter aus. »Ja, lieber nicht.«
»Auch wenn ich mit Sicherheit dafür zahlen würde.«
Ich strahle, weil ich weiß, das war ein Kompliment und nicht der Vorschlag, nach Mitternacht auf dem Hollywood Boulevard herumzulungern und darauf zu warten, dass Richard Gere in seinem geliehenen Lotus aufkreuzt.
Es ist eigentlich gar nicht meine Art, während des Nachhilfeunterrichts mit einem Schüler rumzumachen, aber ich kann nicht anders. Wir versuchen, uns auf Französisch zu konzentrieren, ja, das tun wir wirklich, aber nach fünf Minuten des Spielchens, bei dem man jemanden so lange anstarrt, bis er aufsieht, und mandann schnell den Blick abwendet und das Ganze sich dann umgekehrt wiederholt, sind wir schon wieder am Knutschen. Diesmal etwas intensiver, weil er den Arm um meinen Nacken legt und mich näher zu sich heranzieht, was mich total dahinschmelzen lässt.
Ich habe das Gefühl, unser Kuss würde Stunden dauern, bis ich höre, wie die Haustür aufgeht und Spencers Mutter mit einem Trolley ins Haus kommt. Da reißen wir uns hastig voneinander los und geben unser Bestes, so zu wirken wie zwei Schüler, die am Esstisch fleißig zusammen lernen.
»Ich bin aus Genf zurück!«, verkündet seine Mutter heiter.
Spencer tut so, als wäre er in das Französischbuch vertieft. Ohne aufzublicken, sagt er: »Hi, Mom.«
»Du musst Spencers Tutorin sein«, stellt sie fest, während sie ihren Schal abnimmt und ihn an die Garderobe neben der Tür hängt.
Ich presse die geschwollenen Lippen fest aufeinander und nicke. »Ja, ich bin Maddy. Nett, Sie kennenzulernen, Mrs Cooper.«
Mit einem Klick-Klick ihrer Pfennigabsätze auf dem Parkettboden kommt sie ins Esszimmer. Sie verstrubbelt Spencers Haar liebevoll und lächelt mich hastig, doch aufrichtig an. »Na«, sagt sie und bleibt gerade lange genug stehen, um mit ihren lackierten Fingernägeln auf die hohe Holzlehne des Stuhls zu klopfen, auf dem Spencer sitzt, »kommt er mit seinen Hausaufgaben in Französisch weiter?«
Ich tue alles in meiner Macht Stehende, um nicht laut loszuprusten, denn wenn sie wüsste, mit welcher Art von Französisch wir uns so intensiv beschäftigt haben, dann würde sie mich sicher keine Sekunde länger bezahlen.
Eine heimliche Affäre
Ich beschließe, Jade und Angie nichts von meiner Knutschsession mit Spencer zu sagen. Normalerweise erzähle ich ihnen alles, aber aus irgendeinem Grund möchte ich diese Sache vor ihnen geheim halten. Vielleicht, weil ich mich nicht für die Tatsache, mit jemandem rumgeknutscht zu haben, der fieses Zeug auf die Schließfächer seiner Exfreundinnen schmiert,
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