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Fiesta

Fiesta

Titel: Fiesta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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sagte der Graf und gab den Flaschen einen Dreh. «Und doch würde ich Sie gern mal reden hören.»
    «Ist er nicht verrückt?» lächelte Brett.
    «Jetzt», sagte der Graf und hob eine Flasche heraus, «so, ich glaube, sie ist kalt genug.»
    Ich brachte ein Tuch, und er trocknete die Flasche ab und hielt sie hoch. «Ich trinke Champagner gern aus Doppelflaschen. Der Wein ist besser, aber es wäre mit dem Kühlen hier jetzt zu schwierig gewesen.» Er hielt die Flasche in der Hand und sah sie an.
    Ich stellte die Gläser hin.
    «Wissen Sie, Sie könnten sie aufmachen», schlug Brett vor.
    «Ja, meine Liebe. Jetzt werde ich sie öffnen.»
    Der Champagner war erstaunlich.
    «Na, das ist ein Weinchen.» Brett hielt ihr Glas in die Höhe. «Wir müßten eigentlich auf irgendwas trinken. Prost das angestammte Herr scher haus.»
    «Dieser Wein ist zu gut, um damit Toaste auszubringen, meine Liebe. Mit einem solchen Wein sollte man nicht Gefühle vermischen wollen. Man bringt sich um den Geschmack.»
    Bretts Glas war leer.
    «Sie sollten ein Buch über Wein schreiben, Graf», sagte ich.
    «Mr. Barnes», antwortete der Graf, «alles, was ich von einem Wein will, ist Genuß.»
    «Also genießen wir noch ein bißchen.» Brett rückte ihr Glas vor. Der Graf schenkte ihr vorsichtig ein. «So, meine Liebe, jetzt genießen Sie das langsam, und dann können Sie sich betrinken.»
    «Betrinken? Betrinken?»
    «Aber meine Liebe, Sie sind reizend, wenn Sie betrunken sind.»
    «Na, hör dir den Mann an.»
    «Mr. Barnes», der Graf schenkte mein Glas voll. «Sie ist die einzige Dame meiner Bekanntschaft, die genauso reizend betrunken wie nüchtern ist.»
    «Da sind Sie wohl nicht viel herumgekommen?»
    «Doch, meine Liebe. Ich bin viel herumgekommen, sogar furchtbar viel.»
    «Trink deinen Wein», sagte Brett. «Wir sind alle herumgekommen. Ich glaube schon, daß Jake mindestens so viel gesehen hat wie Sie.»
    «Meine Liebe, ich glaube, daß Mr. Barnes eine Menge gesehen hat. Glauben Sie nicht, Sir, daß ich das etwa nicht glaube, auch ich habe eine Masse gesehen.»
    «Natürlich haben Sie, mein Lieber», sagte Brett, «ich machte doch nur Unsinn.»
    «Ich habe sieben Kriege und vier Revolutionen mitgemacht», sagte der Graf.
    «Als Soldat?» fragte Brett.
    «Manchmal, meine Liebe. Und ich habe sogar Pfeilwunden. Haben Sie schon mal Pfeilwunden gesehen?»
    «Lassen Sie mal sehen.»
    Der Graf stand auf, knöpfte die Weste auf und öffnete sein Hemd. Er zog sein Unterhemd bis zur Brust hinauf und stand mit schwarzer Brust und herausstehenden großen Bauchmuskeln unter dem Licht.
    «Sehen Sie sie?»
    Unter der Linie, wo seine Rippen aufhörten, sah man zwei erhöhte weiße Ränder.
    «Sehen Sie auf dem Rücken, wo sie rauskommen.» Über dem Kreuz sah man genau solche Narben, die so dick wie ein Finger hervortraten.
    «Donnerwetter, das ist was.»
    «Gerade durch.»
    Der Graf steckte sein Hemd wieder ein.
    «Wo haben Sie die her?» fragte ich.
    «Aus Abessinien. Als ich einundzwanzig war.»
    «Was machten Sie da?» fragte Brett. «Waren Sie Soldat?»
    «Ich war auf einer Geschäftsreise, meine Liebe.»
    «Hab ich’s dir nicht gesagt, daß er zu uns gehört?» Brett guckte mich an. «Graf, ich liebe Sie, Sie sind süß.»
    «Sie machen mich sehr glücklich, meine Liebe. Aber es ist nicht wahr.»
    «Seien Sie nicht so dumm.»
    «Sehen Sie, Mr. Barnes, weil ich so viel hinter mir habe, deshalb kann ich jetzt alles so genießen. Finden Sie nicht, daß das stimmt?»
    «Jawohl, völlig.»
    «Ich weiß», sagte der Graf. «Das ist das Geheimnis. Man muß den Wert der Dinge kennenlernen.»
    «Und passiert Ihren Werten denn nie was?»
    «Nein, nicht mehr.»
    «Verlieben Sie sich niemals?»
    «Immer», sagte der Graf. «Ich bin immer verliebt.»
    «Wie beeinflußt das Ihre Werte?»
    «Auch das hat seinen Platz in meiner Wertordnung.»
    «Sie kennen ja keine Werte. Sie sind einfach tot.»
    «Nein, meine Liebe. Sie haben unrecht. Ich bin gar nicht tot.»
    Wir tranken drei Flaschen Champagner, und der Graf ließ den Korb in meiner Küche. Dann aßen wir in einem Restaurant im Bois. Das Essen war ausgezeichnet. Essen hatte eine fabelhafte Nummer in der Wertordnung des Grafen. Ebenso trinken. Der Graf war während des Essens in großer Form. Brett auch. Es war ein nettes Beisammensein.
    «Wo wollen Sie jetzt hin?» fragte der Graf nach Tisch.
    Wir waren jetzt im Restaurant die einzigen Leute. Die beiden Kellner standen drüben an der Tür; sie wollten nach

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