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Fiesta

Fiesta

Titel: Fiesta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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von der Gare d’Orsay. Es war ein herrlicher Tag, nicht zu heiß, und das Land war gleich von Anfang an schön. Wir gingen hinten in den Speisewagen und frühstückten. Als wir den Speisewagen verließen, bat ich den Kellner um Platzkarten zum ersten Mittagessen.
    «Nichts bis zum fünften.»
    «Was heißt das?»
    In dem Zug gab es immer nur zwei Serien Mittagessen und immer reichlich Platz bei beiden.
    «Alles reserviert», sagte der Speisewagenschaffner. «Um 15 Uhr 30 ist das fünfte Service.»
    «Das ist bitter», sagte ich zu Bill.
    «Gib ihm 10 Francs.»
    «Hier», sagte ich. «Wir möchten gern zwei Plätze zum ersten Essen.»
    Der Schaffner steckte die 10 Francs in die Tasche.
    «Danke», sagte er. «Ich würde den Herren raten, sich Sandwiches zu bestellen. Alle Plätze für die ersten vier Serien sind im Büro der Gesellschaft schon im voraus reserviert worden.»
    «Du wirst es weit bringen, Bruder», sagte Bill zu ihm auf englisch. «Wahrscheinlich hättest du uns geraten, vom Zug abzuspringen, wenn ich dir 5 Francs gegeben hätte.»
    «Comment?»
    «Geh zum Teufel», sagte Bill. «Lassen Sie Sandwiches machen und bringen Sie uns eine Flasche Wein. Sag’s ihm, Jake.»
    «Und schicken Sie es in den nächsten Wagen.» Ich beschrieb ihm, wo wir saßen.
    In unserem Abteil saßen außer uns noch ein Mann, seine Frau und ihr Sohn.
    «Ich nehme an, Sie sind doch wohl Amerikaner, nicht wahr?» fragte der Mann. «Machen Sie eine schöne Reise?»
    «Herrlich», sagte Bill.
    «So muß man’s machen. Reisen, wenn man jung ist. Mutter und ich wollten immer herüberkommen, mußten aber ’ne ganze Weile warten.»
    «Wir hätten’s schon vor zehn Jahren gekonnt, wenn du nur gewollt hättest», sagte seine Frau. «Du hast nur immer gesagt: ‹Erst wollen wir Amerika sehen!› Na, ich muß gestehen, wir haben schon eine Menge gesehen, da kann man sagen, was man will.»
    «Hören Sie, ich glaube, es sind reichlich viel Amerikaner im Zug», sagte der Mann. «Sieben Wagen voll aus Dayton, Ohio. Sie haben eine Pilgerfahrt nach Rom gemacht und sind jetzt auf dem Weg nach Biarritz und Lourdes.»
    «So, also das ist es, Pilger. Verdammte Puritaner», sagte Bill.
    «Aus welchem Teil der Staaten seid ihr denn, Jungens?»
    «Kansas City», sagte ich. «Er ist aus Chicago.»
    «Fahren Sie beide nach Biarritz?»
    «Nein, wir fahren zum Angeln nach Spanien.»
    «Na, ich für mein Teil hab mir nie viel daraus gemacht. Aber viele aus meiner Gegend sind wild darauf. Im Staate Montana gibt es mit die besten Angelmöglichkeiten. Ich bin mit den anderen manchmal mitgewesen, aber ich mach mir nichts daraus.»
    «Schön wenig gefischt hast du auf all diesen Touren», sagte seine Frau.
    Er zwinkerte uns zu.
    «Na, Sie wissen ja, wie die Damen sind. Wenn man ein paar Flaschen oder einen Kasten Bier mitnimmt, ist bei ihnen gleich die Hölle los.»
    «Ja, so sind die Männer», sagte seine Frau zu uns. Sie glättete ihren ausladenden Schoß. «Wo ich gegen die Prohibition gestimmt habe, um ihm einen Gefallen zu tun und um ein bißchen Bier im Haus zu haben, und dann redet er so. Es ist ein wahres Wunder, daß sie überhaupt jemand finden, der sie heiratet.»
    «Sagen Sie», unterbrach Bill, «wissen Sie, daß diese Bande von Pilgern den Speisewagen bis halb vier mit Beschlag belegt hat?»
    «Wie meinen Sie das? Das ist doch unmöglich.»
    «Versuchen Sie nur, Plätze zu bekommen.»
    «Na, Mutter, das sieht mir ganz so aus, als ob wir lieber wieder zurückgehen und noch einmal frühstücken sollten.»
    Sie stand auf und glättete ihr Kleid.
    «Wollen Sie, bitte, auf unsere Sachen aufpassen? Komm, Hubert.»
    Sie gingen alle drei in den Speisewagen. Kaum waren sie weg, wurde zum ersten Mittagessen gerufen, und die Pilger mit ihren Priestern kamen den Korridor entlangmarschiert. Unser Freund und seine Familie kamen nicht zurück. Ein Kellner kam mit unseren Sandwiches und der Flasche Chablis vorbei, und wir riefen ihn herein.
    «Na, heute gibt’s Arbeit», sagte ich.
    Er nickte mit dem Kopf. «Sie fangen jetzt um halb elf schon an.»
    «Wann essen wir?»
    «Huh! Wann esse ich?»
    Er ließ zwei Gläser mit der Flasche da, und wir bezahlten die Sandwiches und gaben ihm ein Trinkgeld.
    «Ich hole die Teller nachher», sagte er, «oder vielleicht bringen Sie sie mit.»
    Wir aßen die Sandwiches, tranken den Chablis und sahen die Landschaft am Fenster vorbeiziehen. Das Getreide begann gerade zu reifen, und die Felder standen voller Mohn. Die Weiden

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