Fiesta
unberührtes Restaurant auf den Pariser Quais geschildert, deshalb mußten wir 45 Minuten auf einen Tisch warten. Bill hatte 1918 in diesem Restaurant gegessen, gleich nach dem Waffenstillstand, und Madame Lecomte machte ein großes Theater mit ihm.
«Verhilft uns aber nicht zu einem Tisch», sagte Bill. «Aber ‘ne fabelhafte Frau.»
Wir aßen gut, ein gebratenes Huhn, frische grüne Bohnen, Kartoffelbrei, Salat, Apfelkuchen und Käse.
«Na, hier bei Ihnen geht’s gut zu», sagte Bill zu Madame Lecomte. Sie hob die Hand.
«Ach du meine Güte!»
«Sie werden reich werden.»
«Hoffentlich.»
Nach dem Kaffee und einem fine forderten wir die Rechnung. Es wurde noch wie früher auf einer Schiefertafel angekreidet, was zweifellos eine der «merkwürdigen Eigenheiten» war. Wir bezahlten, schüttelten ihr die Hand und gingen hinaus.
«Sie kommen ja überhaupt nicht mehr her, Monsieur Barnes», sagte Madame Lecomte.
«Zuviel Landsleute.»
«Kommen Sie mittags, dann ist es nicht voll.»
«Gut, ich komme bald mal.»
Wir gingen unter den Bäumen entlang, die über den Fluß auf der Quai d’Orléans-Seite der Insel hinüberhingen. Jenseits des Flusses standen die zerbrochenen Mauern alter Häuser, die man gerade abriß.
«Da wollen sie eine Straße durchbrechen.»
«Sieht ihnen ähnlich», sagte Bill.
Wir gingen weiter um die Insel herum. Der Fluß war dunkel, und ein bateau-mouche kam vorbei, ganz hell erleuchtet, und fuhr schnell und lautlos und außer Sicht unter die Brücke. Den Fluß weiter hinab hockte Notre-Dame gegen den schwarzen Himmel. Wir gingen auf das linke Ufer der Seine über die hölzerne Fußgängerbrücke des Quai de Béthune und blieben auf der Brücke stehen und sahen den Fluß hinunter auf Notre-Dame.
Wie wir so auf der Brücke standen, sah die Insel dunkel aus, die Häuser ragten hoch gegen den Himmel, und die Bäume waren Schatten.
«Ist schon wunderbar», sagte Bill. «Gott, ich möchte schon wieder her.»
Wir lehnten auf dem hölzernen Geländer der Brücke und sahen den Fluß hinauf nach den Lichtern auf den großen Brücken. Unter uns war das Wasser glatt und schwarz. Es machte kein Geräusch gegen die Pfeiler der Brücke. Ein Mann und ein Mädchen kamen an uns vorbei. Sie hielten sich im Gehen umschlungen.
Wir überquerten die Brücke und gingen die Rue du Cardinal Lemoine hinauf. Es war steil, und wir gingen den ganzen Weg bis zur Place Contrescarpe. Das Bogenlicht schien durch die Blätter der Bäume auf den Platz, und unter den Bäumen stand ein Omnibus fertig zur Abfahrt.
Aus der Tür des Négre Joyeux erklang Musik. Durch das Fenster des Café Aux Amateurs sah ich die lange Theke. Draußen auf der Terrasse tranken einige Arbeiter. In der offenen Küche des Amateurs sott ein Mädchen Kartoffelchips in Öl. Daneben stand ein eiserner Topf mit Rindfleisch. Das Mädchen schöpfte etwas davon einem alten Mann auf einen Teller, der in einer Hand eine Flasche Rotwein hielt.
«Willst du was trinken?»
«Nein», sagte Bill. «Brauch nichts.»
Wir wandten uns nach rechts von der Place Contrescarpe und gingen durch glatte, enge Straßen mit hohen alten Häusern zu beiden Seiten. Einige Häuser sprangen gegen die Straße vor. Andere lagen zurück. Wir kamen auf die Rue du Pot de Fer und folgten ihr bis zur Rue St. Jacques, die gerade von Süden nach Norden verläuft; dann gingen wir südlich am Val de Grâce vorbei hinter dem Hof und dem eisernen Gitter bis zum Boulevard du Port Royal.
«Was willst du machen?» fragte ich. «Ins Café gehen, Brett und Mike treffen?»
«Warum nicht?»
Wir gingen den Port Royal hinunter, bis er in den Montparnasse überging, und dann an des Lilas, Lavigne und all den kleinen Cafés vorbei, überquerten die Straße an der Rotonde und an ihren Lichtern und Tischen vorüber, zum Sélect.
Michael kam uns zwischen den Tischen entgegen. Er war braungebrannt und sah gesund aus.
«Hal-lo, Jake», sagte er, «Hal-lo, Hal-lo! Wie geht’s, alter Junge?»
«Du siehst ja blendend aus, Mike.»
«Fühl mich auch blendend. Wahnsinnig blendend. Bin ständig zu Fuß gelaufen. Den ganzen Tag gelaufen. Einen Drink nur am Tag, mit Mutter beim Tee.»
Bill war in die Bar hineingegangen. Er stand und sprach mit Brett, die auf einem hohen Schemel mit übergeschlagenen Beinen saß. Sie hatte keine Strümpfe an.
«Ich freue mich, dich zu sehen, Jake», sagte Michael. «Ich bin ein bißchen betrunken, weißt du. Erstaunlich, nicht wahr? Hast du meine Nase
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