Fiesta
vorhersagen, wie diese Engländer untereinander ausgekommen wären.»
«Wahrscheinlich nicht.»
Wir kamen spät nachmittags in Pamplona an, und der Bus hielt vor dem Hotel Montoya. Auf dem Platz wurden elektrische Drähte gespannt, um den Platz für die Fiesta zu beleuchten. Ein paar Kinder kamen angelaufen, als der Bus hielt, und ein Zollbeamter der Stadt ließ alle Leute vom Autobus herunterklettern und auf dem Trottoir ihre Bündel öffnen. Wir gingen ins Hotel und trafen Montoya auf der Treppe. Er schüttelte uns die Hände und lächelte auf seine verlegene Art und Weise.
«Ihre Freunde sind angekommen», sagte er.
«Mr. Campbell?»
«Ja. Mr. Cohn und Mr. Campbell und Lady Ashley.»
Er lächelte, als ob ich noch allerhand hören würde.
«Wann sind sie angekommen?»
«Gestern. Ich hab für Sie die Zimmer reserviert, die Sie vorher hatten.»
«Fein. Haben Sie Mr. Campbell das Zimmer nach der Plaza gegeben?»
«Ja, die Zimmer, die Sie gesehen hatten.»
«Und wo sind unsere Leutchen jetzt?»
«Ich glaube, sie sind zur Pelota gegangen.»
«Und was gibt’s Neues über die Stiere?»
Montoya lächelte. «Heute abend», sagte er, «heute abend um sieben Uhr bringen sie die Villarstiere, und morgen kommen die Miuras. Gehen Sie alle hin?»
«Aber natürlich. Die anderen haben noch nie eine desencajonada gesehen.»
Montoya legte mir die Hand auf die Schulter.
«Ich seh Sie dann da.»
Er lächelte wieder. Er lächelte, als ob Stierkampf unser beider ganz besonderes Geheimnis sei; ein tiefes und ziemlich unpassendes Geheimnis, um das wir beide wußten. Er lächelte immer, als ob unser Geheimnis ein bißchen schlüpfrig und für keinen Outsider passend sei, etwas, was wir beide aber verstanden. Es war ganz unzweckmäßig, es Fremden mitzuteilen, die es nicht verstehen würden.
«Ist Ihr Freund auch ein aficionado?» Montoya lächelte Bill an.
«Ja. Er ist extra aus New York gekommen, um die Kämpfe in San Firmin zu sehen.»
«So?» zweifelte Montoya höflich. «Aber er ist nicht so aficionado wie Sie.»
Er legte mir wieder verlegen seine Hand auf die Schulter.
«Doch», sagte ich, «er ist ein wahrer aficionado, wenn auch nicht so einer wie Sie.»
Aficion bedeutet Leidenschaft. Ein aficionado ist einer, der sich leidenschaftlich für Stierkämpfe begeistert. Alle guten Stierkämpfer stiegen in Montoyas Hotel ab; das heißt, die mit aficion stiegen dort ab. Die es als Gewerbe betrieben kamen vielleicht einmal, aber sie kamen nicht wieder. Die Guten kamen jedes Jahr. Ihre Fotografien hingen in Montoyas Zimmer. Die Fotografien waren entweder Juanito Montoya oder seiner Schwester gewidmet. Die Fotografien der Stierkämpfer, von denen Montoya wirklich etwas gehalten hatte, waren gerahmt. Die Fotografien von Stierkämpfern, die keine aficion besessen hatten, hob Montoya in seiner Schreibtischschublade auf. Sie trugen häufig die schmeichelhaftesten Widmungen. Aber sie bedeuteten ihm nichts. Eines Tages nahm Montoya sie alle heraus und warf sie in den Papierkorb. Er wollte sie nicht um sich haben.
Wir unterhielten uns häufig über Stiere und Stierkämpfer. Ich stieg seit mehreren Jahren im Montoya ab. Wir unterhielten uns nie sehr lange miteinander. Es war wohl mehr das Vergnügen, zu entdecken, was jeder von uns fühlte. Es kamen Männer von weit her, und bevor sie Pamplona verließen, pflegten sie bei Montoya auf ein paar Minuten vorzusprechen und sich mit ihm über Stiere zu unterhalten.
Diese Männer waren aficionados. Wahre aficionados konnten immer Zimmer bekommen, selbst wenn das Hotel voll war. Montoya machte mich mit vielen von ihnen bekannt. Zuerst waren sie immer riesig höflich und sehr amüsiert über die Tatsache, daß ich Amerikaner war. Irgendwie nahm man als Selbstverständlichkeit an, daß ein Amerikaner keine aficion besitzen konnte. Er konnte simulieren oder sie mit Erregung verwechseln, aber er konnte sie nicht wirklich haben. Wenn sie merkten, daß ich aficion besaß und keine Stichworte und keine Querfragen mich entlarven konnten – eigentlich war es mehr wie ein kleines, mündliches Examen mit ein wenig defensiven und versteckten Fragestellungen –, gab es zum Schluß immer dasselbe verlegene Auf-die-Schulter-Klopfen oder ein buen hombre. Aber beinahe immer die gleiche Berührung. Es schien, als ob sie einen anfassen mußten, um auch wirklich sicherzugehen.
Montoya konnte einem Stierkämpfer alles verzeihen, der aficion besaß. Er konnte Nervenkrisen, Angst, schlechte,
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