Fifth Avenue--Ein Thriller (German Edition)
als er keine Antwort erhielt.
Große
Kartons mit den Kleidern seiner Tochter nahmen die Mitte des Raums ein.
Kommoden standen leer, die Schubladen waren herausgezogen. Ihre Schränke waren
ausgeräumt, die Wände nackt.
Er
ging im Zimmer umher und schaute im Vorbeigehen auf jeden einzelnen Karton. Sie
hatte in aller Eile gepackt. Ihre Kleider waren einfach in die Kartons
hineingestopft. Es war offensichtlich, dass sie so schnell wie möglich weg
wollte.
Und
warum auch nicht? Leana wusste, dass es zwischen Celina und ihm keine
Geheimnisse gab. Sie wusste, dass er sie früher oder später wegen ihrer
Handlungen zur Rede stellen würde. Natürlich wollte sie weg. Seit sie ein Kind
war, war sie der Verantwortlichkeit aus dem Weg gegangen. Jetzt, wo George in
der Mitte ihres Schlafzimmers stand, spürte er dessen Leere fast so intensiv,
wie er den Zorn seiner jüngsten Tochter über Jahre hinweg gespürt hatte. Wenn
sie auf eigenen Beinen stehen wollte, dann würde sie es auch alleine schaffen
müssen – auf keinen Fall jedoch mit seinem Geld.
Er
stieg die Stufen hinunter und sah, wie Carlos, ihr Butler, in der Eingangshalle
ein Blumengesteck richtete. Er arbeitete bereits seit fast zwanzig Jahren für
die Redmans.
„Wissen
Sie vielleicht, wo Leana ist, Carlos? Sie ist nicht in ihrem Schlafzimmer.” Er
hatte das Gefühl, dass sie am Teich hinter den Stallungen sitzen könnte.
Gewöhnlich ging Leana dorthin, wenn sie alleine sein wollte.
Carlos
sah ihn überrascht an. „Sie ist letzte Nacht weggegangen, Mr. Redman, noch
bevor Sie und Mrs. Redman aus Manhattan zurückgekommen sind. Ich dachte, Sie
wüssten das.”
„Nein,”
sagte George. „Das habe ich nicht gewusst. Haben Sie bemerkt, dass sie
auszieht?”
Er
nickte. „Sie ging gestern fort. Ich habe ihr angeboten, ihr Gepäck zu ihrem
Wagen zu bringen, aber sie bestand darauf, es alleine zu tun. Bevor sie ging,
hat sie mir gesagt, dass sie den Rest ihrer Sachen morgen abholen lassen würde.
Sie hat mich gebeten, bis dahin nichts anzufassen.”
Was
Carlos George aber nicht sagte, war, dass Leana ihn auch umarmt und ihm zum
Abschied einen Kuss gegeben hatte. Sie ließ ihn wissen, wie viel er ihr in all
den Jahren bedeutet hatte. Sie fühle sich ihm näher als ihrem eigenen Vater.
„Hat
sie gesagt, wohin sie geht?”
„Ich
habe gefragt, Mr. Redman, aber sie wollte es nicht sagen.”
„Wissen
Sie das ganz genau?” sagte George. „Hat sie Manhattan genannt?” Das wäre der
Ort, wo er mit seiner Suche nach ihr beginnen könnte, wenn sie ihn genannt
hätte.
„Es
tut mir Leid, Mr. Redman. Sie hat nichts gesagt.”
George
seufzte. „Geben Sie mir Bescheid, wenn sie nach Hause kommt. Und wenn ich nicht
hier bin, wenn sie kommt – falls sie kommt –, dann versuchen Sie herauszufinden, wo sie jetzt wohnt.”
„Selbstverständlich
– und Mr. Redman?”
„Ja?”
„Es
geht mich zwar nichts an, aber ich mache mir Sorgen um Miss Redman. Sie war
ganz außer sich, als sie letzte Nacht von hier wegging.”
Das
war ihm neu. In all den Jahren, die George Carlos kannte, hatte er sich –
soweit George sich daran erinnern konnte – noch nie in Familienangelegenheiten
gemischt.
„Wie
meinen Sie das: ,ganz außer sich’?”
Carlos
war einen Moment lang still; die Erinnerung an Leana und daran, wie sie
ausgesehen hatte, als sie von der Party nach Hause kam, war noch frisch. Er war
in seinem Zimmer gewesen und hatte gelesen, als er hörte, wie die Eingangstür
zugeworfen wurde. Neugierig geworden, schlüpfte er in sein schwarzes
Alpaka-Jackett und ging zur Halle. Dort fand er Leana vor, die an der Tür
lehnte; ihre Kleider waren in Unordnung und vom Regen feucht. Ihr Haar war nass
und strähnig. Ihr Gesicht...
„Carlos?”
Carlos
kam zu einer Entscheidung und sagte: „Es war ihr Gesicht, Mr. Redman. Es war
blau und angeschwollen. Um ihren Hals waren Abdrücke. Ihre Augen waren so dick,
dass sie sie beinahe nicht aufhalten konnte. Sie blutete auch aus dem Mund. Ich
habe mir ihr Auto angesehen, weil ich dachte, sie hatte vielleicht einen
Unfall, aber das Auto war in Ordnung. Ich glaube, sie wurde geschlagen.”
KAPITEL
14
Leana
fuhr erschreckt aus dem Schlaf. Jemand hämmerte an ihre Schlafzimmertür. Sie
hob den Kopf aus dem Kissen und zuckte zusammen; die plötzliche Bewegung
verursachte einen Schmerz, der durch ihren Nacken, ihre Schultern und ihren
Rücken lief.
Sie
setzte sich im Bett auf.
Versuchte,
sich im Bett
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