Fifth Avenue--Ein Thriller (German Edition)
Theke.
„Wissen
Sie, mir war es Ernst mit dem, was ich sagte. Ich kann – und werde
– Sie ganz nach oben bringen.” Er nippte an seinem Drink. „Das würde
Ihnen gefallen, nicht wahr?” Er hob eine Hand. „Sie brauchen nicht zu antworten
– ich kann es in Ihren Augen sehen. Sie sind stinksauer, und ich kann das
sehr gut verstehen. Ihr Vater hat Ihrer Schwester alles gegeben, und Sie sind
leer ausgegangen. Das tut weh, und ich verstehe das.”
„Warum
tun Sie mir das an?”
„Weil
ich Ihren Vater hasse. Er hatte das große Glück, zwei Töchter zu besitzen, aber
er war dumm genug, nur eine gerecht zu behandeln. Mein Vater ist zu mir genauso
gewesen wie Ihr Vater zu Ihnen. Mein Bruder war sein Alles – nicht ich.
Als Harold gestern Nacht kam und mir Ihre Geschichte erzählte, habe ich mich
entschlossen, Ihnen zu helfen.”
„Wenn
Sie mir so sehr helfen möchten, warum haben Sie mich dann dieser Tortur
unterzogen?”
„Weil
ich mit eigenen Augen sehen musste, ob Sie stark genug sind, mir Widerstand zu
leisten – was Sie bewiesen haben.”
Er
blickte zu dem Foto von einer Frau, das auf seinem Schreibtisch stand. „Wenn
ich mir nicht sicher wäre, dass Sie Mumm haben, Leana, dann könnte ich Ihnen
die Stelle nie anbieten, die ich Ihnen anbieten werde.”
„Und
welche Stelle ist das?”
„Das
neue Hotel, das ich baue?” sagte Louis. „Ich möchte, dass Sie die Leitung
übernehmen.”
* * *
Das
Restaurant in der Sechsundfünfzigsten Straße war ebenso schick, bezaubernd und
italienisch wie die Kellner, die dort arbeiteten. Als Leana ankam, schaute sie
auf die Uhr, sah, dass sie ein paar Minuten zu früh für ihre Verabredung zum
Abendessen mit Mario war, und ging in die überfüllte Bar aus Eichenholz rechts
von der Lobby.
Ein
spürbar lauteres Stimmengewirr umgab sie dort. Leana setzte sich auf einen
hölzernen Barhocker, bestellte ein Glas Weißwein, und amüsierte sich, indem sie
die Leute beobachtete. Ihr war sehr, sehr schwindelig. Ich habe mich gerade bereit erklärt, das größte Hotel in Manhattan zu
leiten – und ich weiß absolut nichts darüber, wie man das macht. Ich muss
verrückt sein. Na, wenn schon!
Das
Restaurant war voller Paare. Leana blickte sich um und sah Leute aller
Altersstufen reden, lachen und lächeln. An einem Ecktisch bemerkte sie, wie
eine junge Frau mit einem älteren Mann sprach. Sie glichen einander. Die Frau
redete schnell, ihre Gesichtszüge waren angeregt.
Leana
hätte gerne gewusst, ob sie Vater und Tochter wären. Sie fragte sich, welche
Neuigkeiten die Frau ihm verraten würde, und sie konnte nicht anders, als die
beiden beneiden. Obwohl sie wusste, dass ihr Vater Louis Ryan verabscheute, kam
Leana zu der Einsicht, dass es im Moment auf der ganzen weiten Welt nichts
gebe, was ihr lieber wäre, als mit dem eigenen Vater diese aufregenden
Neuigkeiten zu teilen.
Sie
wandte ihren Blick von dem Paar ab und wusste, dass dieser Tag nie kommen
würde. Ihre Schwester teilte ihr Leben mit ihrem Vater, wohingegen Leana
lediglich in seinem Haus gewohnt hatte.
Es
wurde immer später. Gewöhnlich war Mario pünktlich. Sie fragte sich, wo er sein
mochte. Sie hatte gerade ihr zweites Glas Wein bestellt, als ein Mann in einem
dunkelblauen Anzug seine Hand auf den Hocker neben ihr legte.
„Ist
hier noch frei?” fragte er.
Leana
wollte gerade ,Nein’ sagen, als sie Michael Archer erkannte. Sie stutzte kurz,
war aber gleich wieder gefasst. „Das ist aber eine Überraschung,” sagte sie
kühl.
Michael
lächelte. „Ich könnte das gleiche sagen.”
„Es
ist schön, Sie zu sehen,” sagte Leana. „Was führt Sie hierher?”
„Gutes
Essen und eine schöne Frau,” – sie blickte hinter ihn, und er fügte hinzu
– „die mich letztendlich
versetzt hat.”
„Aber
ich bitte Sie. Wer versetzt denn Sie?”
„Es
ist wahr,” sagte er. „Und es passiert mir immer mit Models. Könnten Sie mir
vielleicht verraten, warum?”
„Damit
ich Sie richtig verstehe,” sagte sie, „Sie gehen mit Models aus?”
„Manchmal.”
„Das
ist das Traurigste, was ich den ganzen Tag über gehört habe.”
„Vielleicht
fühlen Sie sich nach einem Drink etwas besser?”
Leana
zeigte ihm ihr volles Weinglas. „Zu spät,” sagte sie. „Und überhaupt: Ich
bedaure Sie noch immer. Aber erlauben Sie mir, dass ich Ihnen etwas zu trinken
bestelle. Das wird Ihnen über ihre Model-Malaise hinweghelfen. Was möchten Sie?
Etwas ohne Kalorien?”
Er
lachte.
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