Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)
gibt’s?«, fragte er.
Zur Antwort tat Julia etwas Merkwürdiges: Sie drehte sich um und hob mit einer Hand ihr langes, welliges Haar, so dass der Mann einen kurzen Blick auf irgendetwas in ihrem Nacken werfen konnte. Ein Tattoo? Quentin konnte es nicht erkennen.
»Alles klar?«, fragte sie.
Es schien so, denn der Rausschmeißertyp grunzte und machte einen Schritt beiseite. Als Quentin Julia folgen wollte, kniff der Mann seine Schweinsäuglein noch enger zusammen und hielt ihn auf, indem er ihm eine Hand auf die Brust legte.
»Augenblick.«
Er griff nach einem lächerlich winzigen Opernglas, das an einem Band um seinen Hals hing, und musterte Quentin damit.
»Was soll das denn?«, fragte er empört, an Julia gewandt. »Wer, zum Teufel, ist das?«
»Quentin«, sagte Quentin. »Coldwater.«
Er streckte die Hand aus. Der Mann – auf dessen T-Shirt LEHRER FÜR ZAUBERTRÄNKE stand – ignorierte sie.
»Er ist dein brandneuer Freund«, sagte Julia, nahm Quentin an der Hand und zog ihn herein.
Irgendwo im Haus wummerten Bässe. Es musste ein schönes Haus gewesen sein, bevor es einer vollkommen geschmacklosen Renovierung zum Opfer gefallen und anschließend achtlos verwohnt worden war. Die Renovierung musste in den 1980 ern stattgefunden haben mit allem, was damals als schick gegolten hatte: weiße Wände, Möbel in Schwarz und Chrom, Strahlern an den Decken. Die Luft war mit Zigarettenrauch verpestet und die Gipswände an vielen Stellen verkratzt und abgeplatzt. Kein Ort, an dem Quentin sich lange aufhalten wollte. Er bemühte sich, nicht die Hoffnung zu verlieren, fragte sich aber, inwiefern sie dieser Zwischenstopp Fillory näher brachte.
Misstrauisch folgte Quentin Julia eine halbe Treppe hinauf ins Wohnzimmer, in dem sich eine bunte Mischung von Leuten versammelt hatte. Der Atmosphäre nach glich es einem Resozialisierungszentrum für auffällige Jugendliche, wenn nicht auch auffällige Leute in allen anderen Altersklassen herumgesessen hätten. Einige waren typische Gothics, blass, dünn und besorgniserregend schäbig, doch man sah auch einen Typen mit Nachmittagsbartschatten und verknittertem, aber sichtlich hochwertigem Businessanzug mit dem Handy telefonieren, wobei er »je, jo, a-ho« sagte, als höre ihm tatsächlich jemand zu, der mit diesen Lauten etwas anfangen konnte. Eine Dame zwischen sechzig und siebzig mit eisgrauer Julius-Cäsar-Frisur gehörte dazu, und ein alter Asiate mit nacktem Oberkörper saß allein für sich auf dem Fußboden. Auf dem weißen Berberteppich vor ihm stand eine von Asche umgebene, ausgebrannte Feuerschale. Die Putzfrau war heute wohl nicht da gewesen.
Quentin blieb in der Tür stehen.
»Julia«, flüsterte er. »Sag mir, wo wir hier sind!«
»Hast du’s noch nicht erraten?« Julia strahlte regelrecht vor Vergnügen. Sie genoss sein Unbehagen. »Hier habe ich meine Ausbildung erhalten. Das ist mein Brakebills. Das Anti-Brakebills, wenn man so will.«
»Diese Leute betreiben Magie?«
»Sie versuchen es.«
»Bitte sag mir, dass das ein Witz ist, Julia.« Er fasste sie am Arm, doch sie zog ihn weg. »Bitte!«
»Ich mache keine Witze.«
Julia grinste breit und raubtierhaft. Die Falle war zugeschnappt, und die Beute saß drin.
»Diese Leute können unmöglich zaubern«, entgegnete Quentin. »Sie sind nicht – es gibt keine Sicherheitsmaßnahmen. Sie sind nicht qualifiziert. Wer überwacht sie überhaupt?«
»Keiner. Sie überwachen sich gegenseitig.«
Quentin musste tief durchatmen. Das war nicht in Ordnung – nicht auf moralischer Ebene, sondern ganz allgemein. Allein die Vorstellung, dass jeder x-Beliebige mit Magie herumpfuschen konnte – das war auf jeden Fall viel zu gefährlich! Das konnten die doch nicht machen! Für wen hielten die sich? Er besaß Magie. Er und seine Freunde waren die richtigen Zauberer. Diese Leute waren Fremde, sie waren niemand. Wer hatte ihnen eingeredet, sie könnten zaubern? Sobald sie in Brakebills von diesem Ort erführen, würden sie ihn in einer verdammten Racheaktion dichtmachen. Sie würden ein Einsatzkommando schicken, ein Geschwader mit Fogg an der Spitze.
»Kennst du die etwa alle?«, fragte Quentin.
Julia verdrehte die Augen und schnaubte: »Diese Typen? Nein, das sind doch nur Loser.«
Sie führte Quentin ins Wohnzimmer.
Das Einzige, was die meisten Stammgäste des Safehouses außer ihrer allgemeinen Schäbigkeit gemeinsam hatten, war ein bestimmtes Tattoo, ein kleiner, blauer siebenzackiger Stern von der
Weitere Kostenlose Bücher